Stress bei Fußballtrainern

Stress bei Fussballtrainern - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

19. Feb 2016

Wenn das Trainerleben aus dem Takt gerät …

Befand sich eine Mannschaft im Abstiegskampf, war er die erste Wahl, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Doch der „Knurrer“ kann nicht mehr. Huub Stevens ist wegen Herzrhythmusstörungen als Trainer vom TSG Hoffenheim zurückgetreten. Der 62-jährige Niederländer beendet seine Karriere, zollt seiner Gesundheit damit Tribut. Es war sicher keine leichte Entscheidung, aber leicht haben es Fußballtrainer ohnehin nicht. Etwa 310 Arbeitstage, 270 Trainingseinheiten und ca. 70 Spiele pro Jahr sind eine Herausforderung – nicht nur im Abstiegskampf.

Der Stress, den Fußballtrainer zu bewältigen haben, hinterlässt körperliche Spuren. Teilweise haben sie während eines Spiels einen höheren Puls als ihre Spieler. Die Angst vor Versagen ist eine der Ursachen dafür. Der Druck ist groß: Was sagt der Vorstand, wenn das Spiel wieder verloren wird? Was schreibt die Presse? Wie reagieren die Fans? Dieser negative Stress kann zu Bluthochdruck und Schlaflosigkeit führen. Wer jedes Wochenende fürchten muss, seinen Job zu verlieren, kommt unter diesem Damoklesschwert schlecht zur Ruhe.

Wenn dann vielleicht noch ein stabiles Umfeld fehlt, das dem Trainer den Rücken stärkt, mangelt es an einer wichtigen Kraftquelle. Das private Umfeld hat dabei eine besonders tragende Rolle. Ist der Mensch im Einklang mit seinem privaten Umfeld, dann trägt ihn das Wissen darum auch durch stürmische Zeiten, spendet ihm Kraft und spornt ihn an. Doch gerät hier etwas in Schieflage, dann überschattet das auch die Performance im Arbeitsleben. Energie und Gedanken wandern zu den privaten Problemen, der Fokus auf die beruflichen Aufgaben geht verloren. Der Kopf wälzt Probleme, die mangelhafte Performance schafft weitere, die Belastungsgrenze rückt rapide näher. Denn Regeneration ist für den Mensch in solchen Phasen allgegenwärtiger Forderungen kaum möglich. Schließlich reagiert der Mensch wie eine Schraube, die zu fest angezogen wurde: Er geht kaputt, d.h., er bekommt physische und psychische Probleme.

Gerade die psychische Gesundheit ist wichtig für unsere Lebensqualität und Lebenszufriedenheit, die Leistungsfähigkeit und Produktivität, die Kreativität und Bewältigungskompetenz. Als der ehemalige niederländische Top-Stürmer Marco van Basten vor anderthalb Jahren seinen Rücktritt als Cheftrainer des AZ Alkmaar erklärte, war Stress der Grund dafür. Seine Arbeit habe ihm zunehmend physische und mentale Probleme bereitet (vgl. focus.de, 16.9.14). Der Tod seines Vaters hatte für van Basten das Fass zum Überlaufen gebracht, er bekam stressbedingte Herzprobleme. Das innere Gleichgewicht kommt ins Wanken, das Herz gerät aus dem Takt. Der Körper zeigt uns die rote Karte. Für Huub Stevens bedeutet das nun das Aus, für andere ist es vielleicht Anlass, innezuhalten und ihr Agieren zu überdenken. Jeder Mensch geht anders mit Stress um. Ein gutes Selbstmanagement, geprägt von mentaler und emotionaler Stärke, kann aber dabei helfen, nicht vorzeitig vom Platz gehen zu müssen. Wer sich rechtzeitig in Stressbewältigungsstrategien übt, muss nicht erst auf die Zwangspause warten.

Strategien zur Bewältigung von Stress

Strategie Nr. 1: Einfach mal abschalten!

Die meisten von uns meinen, permanent erreichbar sein zu müssen. Aber genau das lässt uns nie zur Ruhe kommen. Wir werden mit Informationen überflutet, chatten unentwegt, checken Mails und telefonieren noch auf der Toilette. Schalten Sie einmal am Tag Ihr Handy aus. Setzen Sie sich auf eine Parkbank, machen Sie einen Spaziergang oder schauen Sie einfach mal nur aus dem Fenster – und wenn es nur für eine halbe Stunde ist. Erlauben Sie es sich, Ihren Gedanken nachzuhängen, Eindrücke aus der Natur aufzunehmen und kurzfristig Ruhe zu genießen. Sie werden sehen, das schafft Kreativität und tut der Psyche gut. Genauso sollte es dazu gehören, das Handy ab 21 Uhr abzuschalten – und erst am nächsten Morgen wieder anzuschalten.

Strategie Nr. 2: Tief durchatmen!

Der Zugang zur Entspannung und Gelassenheit geht über das Atmen. Viele Probleme, Ängste und Unsicherheiten, z.B. in schwierigen Situationen oder in Spitzenzeiten, entstehen dadurch, dass die Atmung immer flacher wird. Dann steht der Trainer mit hoch gezogenen Schultern am Spielfeldrand oder zwängt, sitzend auf der Bank, Bauch und Zwerchfell ein. Zudem atmen die meisten von uns nicht vollständig aus und nutzen so auch nicht die komplette Kapazität der Lunge.

Optimal hingegen ist es, lang und tief in den Bauch zu atmen, dabei hebt und senkt sich die Bauchdecke. Schulter und Nacken bleiben entspannt, die Seiten dürfen sich mitbewegen. Wer bewusst ruhig und tief atmet, gerät körperlich weniger in Stress  – und kann sich via Atmung schnell wieder heraushelfen.
Versuchen Sie es jetzt einmal: Schließen Sie die Augen, wenn sie mögen. Atmen Sie ganz langsam durch die Nase ein und zählen sie dabei langsam bis drei. Atmen sie bewusst, langsam und gleichmäßig durch den Mund aus. Achten Sie darauf, dass das Ausatmen deutlich länger dauert als das Einatmen. Wiederholen Sie diese Atmung mehrere Male.

Strategie Nr. 3: Prüfen Sie Ihre Denkweise!

Gerade beim Bewältigen von Stress kommen dem Denken, Wahrnehmen und Bewerten einer Situation große Bedeutung zu.  Denn Stress entsteht zu einem erheblichen Teil im Kopf. Wie wir Situationen einschätzen und unsere eigenen Fähigkeiten und Ressourcen beurteilen, hat großen Einfluss darauf, ob es zu Stress kommt oder nicht. Stressoren gehören unweigerlich zum Alltag – davon kann jeder Fußballtrainer ein Lied singen. Lassen sich Stressoren weder verändern noch vermeiden, so hilft es manchmal, sie neu zu bewerten. Bei näherer Betrachtung lässt sich in einer vermeintlich überfordernden Situation auch eine Chance erkennen. Akzeptieren Sie eine unveränderbare Situation und verändern stattdessen Ihre Haltung dazu, nehmen Sie diese nicht mehr nur als reinen Stress wahr, sondern vielleicht als Problemstellung, zu dessen Lösung Sie selbst beitragen können – frei nach Henry Fords bekanntem Motto: change it, love it or leave it!

Strategie Nr. 4: Gehen Sie geistig auf Reisen!

Gehen Sie in Ihrer Fantasie an ei­nen Ort, an dem Sie sich rund­um wohl fühlen. Das kann der Lieblings­platz aus der Kindheit hoch oben im Baum sein, der Gipfel eines Berges, den man einmal voller Stolz erklommen hat ‒ in meinem Fall war das die Besteigung des Großglockners ‒, eine Lichtung im Wald, ein Sandstrand, ein schöner Garten, ein Park, eine wunderschöne Landschaft oder eine erfundene Umgebung. Die Visualisierung eines schönen Ortes bewirkt wohlige Entspannung und beruhigt die Nerven. Im Idealfall durchströmt uns ein Gefühl der Stärke und Zuversicht, das wiederum hilft, Entscheidungen zu treffen und in eine neue Richtung ak­tiv zu werden. Suchen Sie einen solchen Ort geistig in hektischen Situationen auf, können Sie sich blitzschnell auf ein niedrigeres Erregungsniveau bringen. Sie rufen Ihr Ruhebild ab, indem Sie z.B. tief durchatmen, ein Schlüsselwort („Ruhe“ o.ä.) sagen und sich mental an Ihren Ort der Ruhe versetzen.

Strategie Nr. 5: Klopfen Sie sich frei!

Das Aktivieren Ihrer Thymusdrüse verbessert die Stimmung, trägt zur Entspannung und Lebensfreude bei, reduziert Stress, steigert die Immunabwehr und sorgt für Ausgeglichenheit.

Klopfen Sie täglich mehrfach etwa eine Minute lang mit den Fingerspitzen oder mit der Faust (sanft) auf die Thymusdrüse. Diese liegt ca. vier Finger breit unterhalb der Halskuhle hinter dem Brustbein in der Mitte des Brustkorbs. Nehmen Sie zusätzlich Ihre Zunge beim Einatmen hinter die Zähne an den Gaumen. Klopfen Sie solange, bis Sie einen tiefen Atemzug machen müssen. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich etwas gelöst hat. Beim Klopfen können Sie folgenden Satz sagen: „Ich liebe, glaube, vertraue, bin dankbar und mutig.“

Literatur

In meinem neuen Buch „Sportmentaltraining“ habe ich Trainern ein eigenes Kapitel gewidmet. Dort berichten erfolgreiche Trainer unterschiedlichster Disziplinen von ihren Selbstführungs- und Führungsstrategien und sprechen offen darüber, wie sie mit Stress umgehen. Vielleicht auch eine Inspiration für Sie? Mehr Informationen finden Sie hier: http://sportmentaltraining-antje-heimsoeth.de/

Weitere Infos zum Thema:
youtube:  Mental Coach Antje Heimsoeth als TV Expertin beim Bayerischen Fernsehen I Blickpunkt Sport

Das Interview ist auch von der Sportschau für interessant und teilenswert befunden worden:
http://www.sportschau.de/fussball/bundesliga/hoffenheim-julian-nagelsmann-wird-coach-100.html
©Antje Heimsoeth

 

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