Vertrieb: Reflexion statt Resignation – der gewinnbringende Umgang mit Niederlagen

Reflexion statt Resignation ‐ der gewinnbringende Umgang mit Niederlagen - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

29. Mai 2017

Als Angelique Kerber beim Tennisturnier in Madrid jüngst im Achtelfinale wegen einer Verletzung aufgeben musste, standen ihr die Tränen in den Augen. Es war ein weiterer sportlicher Rückschlag der derzeit Weltranglistenersten. Nach zwei Grand-Slam-Triumphen, dem Wimbledon-Finale sowie Endspielen bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro und den WTA Finals zeigt Kerber in diesem Jahr, dass sie keine Fließbandproduzentin von Siegen ist. Eine schmerzvolle Erfahrung für die 29-Jährige, aber auch eine lehrreiche. Denn ein Erfolgsabo gibt es auch außerhalb des Centre Court nicht. Wer im Vertrieb tätig ist, kennt den täglichen Druck, die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen: die Vorgaben des Chefs, die Wünsche der Kunden, die Bedingungen der Lieferanten, die Bedürfnisse der Kollegen usw. Hinzu kommen der eigene Anspruch an sich selbst und der Druck durch die Konkurrenz. Dann gibt es Tage oder gar Wochen, wo es nur schleppend oder überhaupt nicht läuft. Widrige Umstände, nagende Selbstzweifel, überragende Konkurrenten – die Gründe fürs Formtief sind so zahlreich wie die Zähne im Haifischgebiss. Es ist eine Kunst, sich nach Rückschlägen und Niederlagen wieder aufzurichten und mit Zuversicht nach vorn zu blicken, aber diese Kunst ist erlernbar. Einst waren Sie sogar ein Meister darin: Als Sie als Kind laufen lernten, sind Sie x-Mal hingefallen, unverdrossen wieder aufgestanden und haben es erneut versucht. Heute stehen Ihnen negative Erfahrungen, Glaubenssätze, Überzeugungen und Versagensängste im Weg, die den Blick trüben oder ihn einseitig werden lassen.

Meister der Selbstsabotage, aber Stümper im Selbstmanagement?

Wie oft haben Sie bei der Kaltakquise schon gedacht „Das wird eh wieder nichts!“ oder gezögert statt mutig loszulegen? Wie oft haben Sie sich nach dem Platzen eines Deals im Selbstmitleid und Klagen über die Widrigkeiten gesuhlt? Viele Menschen sind Meister der Selbstsabotage und Jammerei, aber Stümper im Selbstmanagement. Dabei weiß jeder Spitzensportler: Niederlagen gehören zum Geschäft. Angelique Kerber hat ihrem Motto auf einem T-Shirt, das sie als Australian-Open-Siegerin zeigt, Ausdruck verliehen: Hard work wins. Denn Kerber weiß: „Es gibt immer Aufs und Abs, aber irgendwann, wenn man dranbleibt, zahlt es sich aus.“ Mit Disziplin, Durchhaltevermögen, emotionaler und mentaler Stärke lassen sich Niederlagen als Lernerfahrung verbuchen. Sie sind wie ein Denkzettel, der uns vor Augen führt, wo Nachbesserungsbedarf herrscht – sei es bezüglich der Strategie, der Gesprächsführung, des Abschlusses, der Performance oder der Zielausrichtung. Was zunächst nach Bremsklotz aussieht, kann letztlich zum Beschleuniger Richtung Erfolg werden. Denn Niederlagen zwingen uns nicht zum Anhalten, sondern lediglich zum Innehalten. Sie fordern uns zur Selbstreflexion und Analyse auf, zum Üben von Eigenverantwortung und persönlicher Entwicklung, eventuell zur Neuausrichtung. Das fordert uns mehr als Selbstmitleid, aber fürs Vorankommen ist es unentbehrlich. Arbeit kommt nicht nur im Alphabet vor Erfolg. Das weiß Angelique Kerber längst. Und woran ihr derzeitiges Formtief liegt, wird sie auch noch herausfinden. Denn nur die Analyse hilft hier für den Blick nach vorn, kein Jammern und Klagen.

Das AAAA-Prinzip: Akzeptieren, analysieren, abhaken und wieder Anlauf nehmen

A wie Akzeptanz

Um einen Rückschlag gewinnbringend zu verarbeiten, ist Akzeptanz Voraussetzung, das erste A des AAAA-Prinzips. Akzeptieren Sie, dass Ihre Performance und Gespräch nicht optimal war. Dann widmen Sie sich dem Abbau negativer Stressgefühle, z.B. durch Sport, Musik, einer Wanderung, einen Spaziergang in der Natur oder Gespräche mit Vertrauten. Das macht Ihren Kopf frei fürs zweite A, die Analyse.

A wie Analyse

Beantworten Sie möglichst schriftlich folgende Fragen:

  • Was waren Faktoren für den Misserfolg?
  • Was lief gut? Welche Stärken, Fähigkeiten und Talente kamen zum Tragen?
  • Was kann ich / können wir daraus lernen?
  • Was und wie lässt es sich beim nächsten Mal besser machen?
  • Welche inneren und äußeren Ressourcen benötige ich künftig, um erfolgreich zu sein?

Verzichten Sie bei Ihren Antworten auf Zwänge wie „ich muss“ oder „die anderen müssen“, auf Abwertungen wie „Ich bringe es einfach nicht.“ oder „der andere agiert unfair“ und auf Katastrophisierungen wie „es wäre furchtbar, wenn…“ Das hilft Ihnen nicht weiter, im Gegenteil: Es lenkt Ihren Fokus weg von der Lösung, hin zum Problem.

A wie Abhaken

Mit dem dritten A haken Sie das Geschehene ab. Schauen Sie nicht mehr in den „Rückspiegel“. Lassen Sie die Vergangenheit hinter sich, Sie können sie nicht mehr ändern. Wenn Ihnen das mentale Loslassen hier nicht gelingt, blockieren Sie sich durch Ihr Gedankenkarussell und selbst erfüllenden Prophezeiungen beim zukünftigen Handeln. Ihr Fokus sollte auf die Gegenwart gerichtet sein, denn sie ist der einzige Zeitraum, den Sie wirklich beeinflussen können.

A wie Anlauf

Und mit dem vierten A, dem Anlauf, nehmen Sie Ihr Ziel wieder (oder neu) ins Visier. Sammeln Sie sich und Ihre Kräfte, schwören Sie – falls vorhanden – Ihr Team aufs gemeinsame Ziel ein. Gehen Sie mit neuer Strategie, den Ressourcen und modifizierter Aufstellung ins Rennen um den Erfolg.

Streichen Sie das Wort „unschlagbar“ aus Ihrem Wortschatz. Denn unschlagbar ist niemand – weder Angelique Kerber noch andere Spitzensportler noch Sie. Das Leben ist eine Berg- und Talfahrt. Nach dem Abstieg ist vor dem Aufstieg. Und während der Glaube scheinbar mühelos Berge versetzt, erklimmt der Zweifel den Berg Schritt für Schritt und lässt sich oben auf dem Gipfel angekommen eines Besseren belehren. Arbeiten Sie sich aus Ihren Zweifeln und negativen Überzeugungen, einschränkenden Sichtweisen und Ängsten heraus. Nehmen Sie den Gipfel ins Visier und klettern Sie ihm entgegen – mit Beharrlichkeit, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Fleiß, Mut und dem Bewusstsein, dass das größte Hindernis möglicherweise nicht vor Ihnen, sondern in Ihnen liegt.

Literaturnachweis:

Emotion Mai 2017, S. 70-71.

©Antje Heimsoeth

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank Frau Heimsoeth. Wieder sehr gut auf den Punkt gebracht. Man muss es sich nur immer wieder bewusst machen. Jeder ‚Mißerfolg‘ dient nur dazu, nochmals genauer hinzuschauen.

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  2. Sehr guter Artikel, liebe Antje. Vielen Dank dafür !

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