Das Wunder von Anfield – Was Führungskräfte von Jürgen Klopp lernen können

Das Wunder von Anfield – Was Führungskräfte von Jürgen Klopp lernen können - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

22. Mai 2019

Kategorien

Wahrscheinlich hätte niemand vorher auf dieses Spielergebnis hohe Summen gewettet: Zu viele Verletzungen hatten das Team des FC Liverpool in der aktuellen Saison erschüttert. Und doch legte die Fußballmannschaft im Halbfinalrückspiel der Champions League mit einem 4:0-Sieg gegen den FC Barcelona ein historisches Comeback hin. Ihr Trainer Jürgen Klopp hatte, so verriet er nach dem Spiel, „den Jungs vor dem Spiel gesagt, ich glaube nicht, dass es möglich ist, aber weil ihr ihr seid, gibt es wohl doch eine Chance.“ (Quelle: suedtirolnews.it). Das allein hätte wohl noch nicht zu Höchstleistungen motiviert, doch Klopp zeigte in der Kabine auf seine typisch emotionale Art gleich die Strategie zum Sieg auf, wie Verteidiger Dejan Lovren später verriet: „Er sagte: ‚Männer, glaubt daran! Wir müssen ein bis zwei Tore schießen. Selbst wenn wir sie nicht nach 15 oder 20 Minuten schießen – glaubt daran, dass wir sie in der 65., 66. oder 67. Minute schießen können. Und dann wird Anfield hinter uns stehen. Vertraut mir, wir können es packen. Wir haben es einst gegen Dortmund geschafft, und wir können es auch heute schaffen. Zeigt einfach eure verdammten Eier.‘ Das haben wir dann gemacht.“ (Quelle: welt.de). Es sind genau solche plakativen, pushenden, Emotionen weckende Aussagen der Führungskraft, die ein Team in entscheidenden Momenten zu Bestleistungen animieren.

Worte haben Macht

Der entscheidende Moment ist jener, der unmittelbar vor der abzuliefernden Performance liegt. Für jeden Einzelnen spielt es dann eine Rolle, was er oder sie vom Umfeld zu hören bekommt. Das wird oft unterschätzt, denn wir messen unseren Worten häufig zu wenig Bedeutung bei. Dabei bleibt das zuletzt von anderen Gesagte und von mir Gehörte vor einer Herausforderung hängen. Einmal ausgesprochen, lassen sich Worte nicht zurückholen und entfalten ihre heilbringende oder unheilvolle Wirkung. Es wirkt sich aus, ob ich Unterstützendes, Wachrufendes, Bewegendes auf dem Weg in Verhandlungen, ins Mitarbeitergespräch oder zur Präsentation gehört habe oder das Gegenteil davon. Die Worte von Jürgen Klopp weckten die Leidenschaft in den Spielern. Sie riefen Erinnerungen an vergangene Siege (in der Europa League) wach und säten den Wunsch, es allen zu zeigen. Kaum ein anderer beherrscht die Klaviatur der Emotionen so authentisch wie Jürgen Klopp. Doch sein Erfolg baut nicht allein auf Emotionen auf. Bei genauerer Betrachtung seines Führungsverhaltens lassen sich einige Eckfahnen ausmachen, die zeigen, wie Klopp den Ball erfolgreich im Spiel hält, z.B.:

Vertrauen

Jede erfolgreiche Führungskraft weiß: Führung ist ein Balanceakt zwischen Anleitung und Selbstentfaltung der Mitarbeiter. Die vielbeschworene Generation Y will nicht ständig Direktiven empfangen, sondern Partizipation und Spielraum für Eigenverantwortung – auf dem Rasen und abseits davon. Gute Chefs schenken Vertrauen und damit Freiheit und Autonomie, denn sie wissen: Entfaltung von Potenzial funktioniert nicht im eng geschnürten Korsett. Das ist auch für Jürgen Klopp zentral: „Spieler brauchen Freiheit, um ihr Potenzial entwickeln zu können. Man muss sie auch mal machen lassen. […] Wichtig ist, jungen Spielern zu vermitteln, dass man ihnen Zeit für Entwicklung gibt.“ Vom Spielfeldrand aus reiche ihm oft ein Blickkontakt, um einzelne Spieler aufzubauen, wenn eine Aktion schlecht gelaufen sei (Quelle: Der Hausarzt). Vertrauen setzt die Bereitschaft voraus, auch Fehler zu verkraften. Klopp schenkt den Spielern Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Das lässt den Einzelnen mehr an sich glauben und setzt Leistungsvermögen frei. Chefs, die in schwierigen Situationen an ihre Mitarbeiter glauben, stärken deren Selbstvertrauen. Und das ist eine nicht zu unterschätzende Kraftquelle angesichts von Herausforderungen und ständigen Veränderungen.

Klarheit und Konsequenz

Eine klare Kommunikation ist die Basis für gute Zusammenarbeit. „Wenn wir mit Spielern sprechen, erkläre ich ehrlich, was wir mit ihnen vorhaben“, sagt Jürgen Klopp (Quelle: ebd.). Jürgen Klopp vermittelt seine Pläne, steckt Ziele, setzt sich vor der Saison mit jedem Spieler zusammen und fordert ihn auf, sein Bestes zu geben. Mit dieser klaren Ansprache sorgt Klopp für Sicherheit. Erwartungen wabern nicht nebulös im Raum herum, sondern liegen offen auf dem Tisch. Jürgen Klopps Führungsstil ist gekennzeichnet von Offenheit und Ehrlichkeit. Er steckt klare Grenzen ab, fordert maximales Engagement und steht zu dem, was er sagt. Jede Woche selektiert der Trainer, welcher seiner Spieler es in den Kader schafft. Dabei unterstützt er jeden Einzelnen dabei, in der kommenden Woche wieder aufgestellt zu werden. Das bedeutet: Er arbeitet mit jedem Teammitglied für das Team. Für ihn gehe es darum, so Klopp, Nachwuchsspielern das Gefühl zu vermitteln, dass es für sie eine Chance sei, sich im Verein weiterzuentwickeln. (Quelle: Der Hausarzt). Klopp geht es nicht um ein K.O.-Prinzip, sondern vielmehr um permanente Weiterentwicklung. Den Wunsch danach weckt er mit Konsequenz, nicht mit Kuschelkurs. Ein verlässliches, jederzeit nachvollziehbares Vorgehen ruft keinen Widerstand, sondern Wirksamkeit beim Team hervor.

Respekt und Teamgeist

Klopp verlangt von jedem, der zu seinem Team zählt, einen respektvollen Umgang – mit Vorgesetzten und Kollegen, aber auch mit Servicekräften und Mitarbeitern der Geschäftsstelle. Er brauche keine Arschlöcher, soll er einst gesagt haben. Und ebenso wenig braucht er Teammitglieder, die nur ihr eigenes Ziel verfolgen. Klopp entfachte beim FC Liverpool von Anfang an einen neuen Mannschaftsgeist, der das Miteinander in den Mittelpunkt stellt. „Es geht darum, sich gegenseitig zu helfen, egal ob mit oder ohne Ball. Uneigennützig sein, das ist es, was der Trainer von uns verlangt“, sagte Spieler Lallana bereits 2015 kurz nach Klopps Auftakt in Liverpool (Quelle: welt.de). Eine Führungskraft hat es in der Hand, Respekt und Teamfähigkeit zu fördern. Klopp macht es uns vor. Als er nach dem Sieg gegen Barcelona Arm in Arm mit seinem verletzten Spieler Salah, der plakativ den Spruch „Never give up“ auf seinem T-Shirt getragen und damit seinen Teamkollegen von der Tribüne aus Mut gemacht hatte, und Virgil van Dijk vor „The Kop“ trat – die Tribüne der treuesten Anhänger – sang er gemeinsam mit Publikum und Mannschaft jene Hymne, die den Spirit auf den Punkt bringt: You`ll never walk alone.

Jürgen Klopp weiß, welches Gewicht Worte haben können. Als er nach dem Spiel sagte: „Ich bin wirklich stolz, Trainer dieses Teams zu sein.“ (Quelle: suedtirolnews.it), wusste er, welche Wirkung das bei seinem Team erzielen würde. Er tut gut daran, das Bewusstsein für den errungenen Erfolg zu fördern. Schließlich wartet die nächste Herausforderung schon. In zwei Wochen trifft die Mannschaft in Madrid im Finale der Champions League auf Tottenham Hotspur. Dann braucht das Team sämtliches Potenzial auf dem Platz. Und Sie, liebe Leser, haben nun die eine oder andere Inspiration, wie Sie die Performance auf Ihrem beruflichen und persönlichen Spielfeld steigern können. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

© Ihre Antje Heimsoeth

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