Gewonnen wird im Kopf, verloren auch

GEWONNEN VERLOREN Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

10. Jun 2012

Kategorien

FC Bayern in der Champions League
Gewonnen wird im Kopf, verloren auch.

Das letzte Drama um den FC Bayern bei der Champions League ist noch nicht allzu lange her, um aus dem kollektiven Fußballgedächtnis getilgt zu sein. Das Spiel hat aus meiner Sicht als Sport-Mentalcoach und ehemaliger Leistungssportlerin wieder gezeigt, dass nicht die sportlich stärkere Mannschaft gewonnen hat, sondern diejenige, welche auf dem Feld die größere mentale Stärke bewahren konnte. Ich bin keine Fußballtrainerin, habe selbst nie Fußball gespielt. Aber aus meiner Sicht waren die Bayern-Spieler sichtlich beeinflusst von der Diskrepanz zwischen den hohen Erwartungen einerseits und der viel beschworenen „Bayern-Herrlichkeit“ andererseits. Dass ein junger, erfolgreicher Spieler am Ende sogar so niedergeschlagen war, dass er die ausgestreckte Hand des Bundespräsidenten übersah, zeigt mir, wie stark sich der Druck von außen nach innen verlagern kann. Nach innen heißt: Im Kopf spielt sich alles ab und in so einem Fall einmal mehr die Niederlage als bereits erzielte Erfolge. Bevor ein Sportler einen Pokal in den Händen hält, hat er zuvor schon im Kopf gewonnen –  kann die ganze Nation dagegen vorm Fernseher mit erleben, wie gestandene Fußballer der Reihe nach beim Elfmeterschießen kneifen aus Angst vor Versagen.

Als Mentaltrainerin frage ich mich, wer Sportlern wie Schweinsteiger & Co. zur Seite steht, wenn doch die Presse jeden verpassten Schuss noch in Echtzeit kommentiert, über den körperlichen und seelischen Zustand der Spieler öffentlich spekuliert, schon im Vorfeld Niederlagen prophezeit oder noch ausstehende Siege schon mal einfordert? Wird nach einem Spiel nur technisch analysiert, guckt man auch tiefer und überlegt, welche Blockade im Kopf einzelne Spieler am Erfolg gehindert hat? Wie baut der Club seine Spieler bis zur EM wieder auf? Gewonnen wird schließlich im Kopf, aber verloren auch.

Welche gemeinsamen Ziele verfolgen „unsere“ Bayern? Ich finde es bedenklich, dass nun schon in allen Zeitungen steht, Bayern-Trainer Jupp Heynckes würde nächstes Jahr in Rente geschickt – besser (und motivierender für alle) wäre es, positive Nachrichten aus der Bayern-Elf zu verbreiten, etwa, dass die Spieler jetzt auch kopftechnisch fit gemacht werden. Zumindest ist gut, dass Bundestrainer Joachim Löw für die EM öffentlich auf die Bayern-Spieler schwört – zeitgleich sagt er dieser Tage in einem Interview mit der dm-Kundenzeitschrift alverde, er äußere sich nicht öffentlich über „Minimal- oder Maximalziele“. Das ist gut so, so lange die Fußballer intern an gemeinsamen Zielen arbeiten – es muss ja nicht gleich morgen in der Zeitung stehen. Das Visualisieren eines Ziels über unsere fünf Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken), mit allen Emotionen, die dazu gehören, mobilisiert ungeahnte Kräfte; ich habe es selbst oft genug erlebt. Man fängt wieder an, an sich zu glauben. Selbst wenn man bis dahin nicht einmal mehr eine zum Dank ausgestreckte Hand vor Augen gesehen hat.

© Antje Heimsoeth

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