Wussten Sie, dass wir Deutschen unsere Fähigkeit, freundlich gegenüber anderen zu sein, auf einer Skala von 1 bis 10 nur mit 6,5 angeben? Auch um die Freundlichkeit, die wir von anderen empfangen, ist es nicht viel besser bestellt, wie die 2019 vom Basel Institute of Commons and Economics durchgeführte internationale Online-Befragung zeigt. Hier liegt unser Wert bei 7. Bei etlichen Ländern, die von Armut und Konflikten geprägt sind, lagen die Werte teils deutlich höher. Die Forscher stellten jedoch fest: Zwischen Frieden, Wohlstand und Freundlichkeit gibt es keinen kausalen Zusammenhang. Dafür hängt für uns persönlich aber viel von der Freundlichkeit ab. Sie wirkt sich nämlich auf unser körperliches und geistiges Wohlbefinden aus – unmittelbar und verlässlich.
Die kleinen guten Taten des Tages, die wir empfangen oder geben, machen etwas mit uns. Kennen Sie das freudige Gefühl, wenn Ihnen ein Fremder sein Parkticket schenkt, weil es noch lange nicht abgelaufen ist, er es aber nicht mehr benötigt? Oder wenn Sie Ihr Tagesticket für die S-Bahn nach Benutzen weiterverschenken, weil es noch bis zum nächsten Morgen gültig ist? Wenn jemand etwas für Sie aufhebt, was Ihnen aus dem Arm gefallen ist? Oder Sie einer alten Dame sämtliche Türen aufhalten, damit sie mit ihrem Rollator frei passieren kann? Wenn uns ein dankbares Lächeln geschenkt wird, weil wir freundlich waren und unaufgefordert geholfen haben? Es sind diese zufälligen Akte der Freundlichkeit (random acts of kindness) im Alltag, die erstaunliche Wirkung auf uns haben, wie Studien zeigen.
Freundlichkeit kann lebensverlängernd wirken
Liebenswürdiges Verhalten erleichtert nicht nur das Zusammenleben in einer Gemeinschaft, sondern es wirkt auf vielen Ebenen beim Einzelnen nach. Wenn Freundlichkeit von uns durch regelmäßige Ehrenämter sozusagen institutionalisiert wird, dann wirkt sie sogar lebensverlängernd. Studien haben gezeigt, dass Menschen ab 55 Jahren, die sich ehrenamtlich für mindestens zwei Organisationen engagieren, ihr Risiko, früh zu sterben, um fast die Hälfte reduzieren. Die Forschung geht davon aus, dass dafür die positiven Gefühle verantwortlich sind, die das Helfen bei uns auslöst. Denn diese mindern die körperlichen und psychischen Auswirkungen von Stress. Wenn du in Beziehungen Gutes tust, dann produziert dein Körper verstärkt das Hormon Oxytocin. Dieses sogenannte Vertrauens- oder Liebeshormon fördert unser Empfinden von Vertrauen, Empathie und Glück. Gleichzeitig senkt es unseren Blutdruck, wirkt der Erkrankung von Herzkranzgefäßen entgegen und lindert Gefäßentzündungen.
Freundlichkeit verringert Angst und Depression
Freundlichkeit lässt unseren Körper nicht nur Oxytocin, sondern auch Dopamin und Serotonin ausschütten. Diese Hormone stärken unser Selbstwertgefühl und wirken sich förderlich auf unser Wohlbefinden aus. Dieser Effekt gilt übrigens sowohl für empfangene als auch für gegebene Freundlichkeit. Denn in beiden Fällen treten wir in Verbindung zu anderen, lassen uns für den Moment durch eine freundliche Interaktion auf sie ein und gehen eben nicht einfach gruß- und blicklos vorüber. Dass trägt dazu bei, dass wir uns weniger isoliert fühlen. Und das verringert Emotionen wie Traurigkeit, Angst oder Wut. Je mehr wir uns mit anderen verbinden können, desto geringer ist die Gefahr einer depressiven Erkrankung für uns. Studien haben u.a. gezeigt, dass Menschen mit psychischen Problemen wie z.B. einer Angststörung durch das gezielte Erbringen guter Taten ihre Stimmung und Lebenszufriedenheit steigern konnten.
Freundlichkeit schenkt uns Hochgefühle
Dopamin hat eine euphorisierende Wirkung auf uns. Das Hochgefühl, dass wir nach einer guten Tat empfinden, nennen Forscher auch „Helper`s High“. Es ist ein regelrechtes Glücksgefühl, das uns durchflutet. Je öfter wir solche Momente erleben, desto höher stufen wir unser Glücksempfinden ein. Die berühmte Glücks-Studie der Harvard Business School, die das Glücksempfinden von Menschen in 136 Ländern unter die Lupe nahm, stellte fest, dass jene Menschen, die vor allem Gutes für andere taten, am glücklichsten waren. Die Forscher führen diesen Effekt auf die psychologische Glückseligkeit zurück, die das Helfen bei uns selbst hervorruft.
Freundlichkeit sorgt für einen Energiekick
Achten Sie beim nächsten Mal darauf, wenn Sie Ihrer Freundin einen Kaffee spendieren, einem Fremden den Weg weisen oder anderen den Vortritt in der Warteschlange im Supermarkt gewähren: Der freundliche Akt gibt uns einen kleinen Energiekick. Auch das liegt an den ausgeschütteten Hormonen in unserem Körper. So berichteten Teilnehmende einer Studie an der Berkeley University, Kalifornien/USA, dass sie sich energiegeladener und gleichzeitig ausgeglichener fühlten, nachdem sie geholfen hatten.
Freundlichkeit kann ansteckend sein
Eine gute Tat hat sogar einen Effekt auf uns, wenn wir nur von außen beobachten, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. Nicht nur diejenigen, die unmittelbar an der freundlichen Interaktion beteiligt sind, sondern auch Beobachtende erleben die positiven Auswirkungen von Freundlichkeit im Gehirn. Die geweckten positiven Gefühle wiederum motivieren uns, selbst etwas Gutes zu tun. Ob empfangen, gegeben oder nur gesehen – Freundlichkeit kann also eine Kettenreaktion auslösen, von der viele profitieren.
Freundlichkeit sich selbst gegenüber macht gelassen
Nicht nur das Empfangen und Geben von Freundlichkeit in Interaktion mit anderen tut uns gut. Wir sollten auch uns selbst gegenüber bewusst Freundlichkeit walten lassen. Zum einen macht sie nachsichtiger uns selbst und anderen gegenüber, zum anderen sorgen wir damit für unser Wohlbefinden. Wenn wir uns selbst Gutes tun, sind wir milder gestimmt und zufriedener. Das beeinflusst übrigens auch die Wahrnehmung anderer. Werden wir als gut gelaunt und freundlich wahrgenommen, ist die Bereitschaft anderer höher, uns ebenfalls freundlich gegenüberzutreten. Selbstfürsorge in Sachen Freundlichkeit lohnt sich also gleich mehrfach.
In einer Zeit, wo wir durch die Covid-19-Pandemie gezwungen sind, auf Abstand zu gehen, im Homeoffice zu arbeiten, den lächelnden Mund hinter einer Maske zu verstecken, ist Freundlichkeit eine wohltuende, willkommene Geste, die uns kurz die auferlegte Isolation vergessen lässt und Hoffnung schenkt. Ich wünsche mir, dass es Ihnen gelingt, Freundlichkeit in Ihren Alltag zu integrieren, auch jenseits von Pandemiebeschränkungen. Denn wenn wir alle uns regelmäßig in Freundlichkeit üben, uns selbst und anderen gegenüber, können wir diese Welt jeden Tag ein kleines Stück zu einem besseren Ort machen – und profitieren alle davon.
© Ihre Antje Heimsoeth
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