Erfolgsfaktor Team-Spirit – was das „Wir-Gefühl“ ausmacht

Erfolgsfaktor Team-Spirit – was das „Wir-Gefühl“ ausmacht - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

18. Jul 2018

Kategorien

Einer der Vorwürfe, die Kritiker der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und ihrer Führung während der WM machten, lautete: Ihr seid kein echtes Team, sondern eine Ansammlung verschiedener Gruppierungen. Der Nationalelf mangele es an Team-Spirit. Die Folge: Vorzeitiges Aus für „Die Mannschaft“, die als solche 2018 nicht überzeugen konnte. Sie führte damit vor Augen: Für das bestmögliche Ergebnis reicht es nicht, die besten Leute bzw. Spieler zusammenzubringen. Das Ergebnis wird immer nur so gut sein, wie es die Interaktionen zwischen den einzelnen Spielen, Mitarbeitern und Teamplayern sind. Zusätzlich zu gut funktionierenden, bereichernden Interaktionen braucht es auch Team-Spirit. Ein geflügeltes Wort, das so leicht daher kommt und doch so schwer zu fassen ist. Laut Wikipedia ist Teamgeist „eine starke Form des Wir-Gefühls, die sich im Gegensatz zum bloßen Wir-Gefühl in gegenseitiger Unterstützung der Gruppenmitglieder ausdrückt, während das Gruppengefühl lediglich vom gemeinsamen Gefühl getragen wird“. Je stärker die Ausprägung des Wir-Gefühls ist, desto größer ist der Einfluss auf verschiedene Aspekte, die Relevanz für das Gesamtergebnis haben, u.a. auf die Motivation, Leistungsbereitschaft und Performance, aufs Betriebsklima und auf die Gesundheit der Belegschaft. Doch was sorgt für einen gesunden Teamgeist? Was macht Team-Spirit aus?

Team-Spirit-Faktor Zielorientierung: Ein Team braucht stets ein gemeinsames Ziel

Ich bin durch meine Arbeit in vielen Unternehmen tätig. Es erstaunt mich immer wieder, wie viele Unternehmen weder über Visionen noch Ziele verfügen. Wie will man erfolgreich planen und Strategien entwickeln, wenn das Team gar nicht weiß, wohin die Reise gehen soll? Den Grundstein für die Zielorientierung legt die Vision. Sie sollte zum Ausdruck bringen, wofür das Unternehmen steht:

  • Was ist der Zweck des Unternehmens?
  • Wofür steht das Unternehmen?
  • Welchen Beitrag will das Unternehmen leisten?
  • Wo wollen wir in 5 – 10 Jahren stehen?
  • Wie soll das Unternehmen in 5 – 10 Jahren aussehen?
  • Was sind Ihre Träume und Hoffnungen für die Zukunft?
  • Was würden die Mitarbeiter voller Stolz über das Unternehmen sagen?

Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens dessen Vision verstehen. Nur so können Teams wie Führungskräfte zielorientiert agieren. Die Vision, Mission und daraus abgeleitete Unternehmensziele sind eines der stärksten Mittel, um Mitarbeiter und Bewerber, aber auch Kunden ans Unternehmen zu binden. Wer erreichen will, dass alle im Unternehmen an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen, wer vom Team-Spirit profitieren will, der muss seine Belegschaft auf die Vision und die Unternehmensziele einschwören. Die Vision ist die Mutter des Ziels. Erst die Entwicklung einer Strategie zur Umsetzung macht aus einer Vision ein Ziel. Ohne Ziele generieren wir kein Wachstum und keine Weiterentwicklung. Klar definierte Ziele helfen, herausragende Ergebnisse zu erreichen – im Sport wie in der Wirtschaft. Je besser diese Ziele mit den persönlichen Werten der einzelnen Teammitglieder übereinstimmen, desto erfolgreicher ist übrigens der Weg der Zielerreichung. Denn dann sind Motivation und Leistungsvermögen des Einzelnen besonders hoch.

Teamarbeit:  Gemeinsam und erfolgreich im Team eine Vision verwirklichen und Ziele erreichen

Die bildhafte Vorstellung eines Ziels beeinflusst unser Unterbewusstsein, aktiviert Erlebnisnetzwerke im Gehirn und arbeitet nach dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung („self-fulfilling prophecy“). Unser Gehirn kann Bilder wesentlich schneller verarbeiten als Worte. Deshalb ist es sinnvoll, mit dem Team ein gemeinsames Zielbild zu schaffen. Ein Bild, das sich vor dem inneren Auge jedes Einzelnen visualisieren lässt und das veranschaulicht, wohin man gemeinsam strebt. Das gilt auch für die vorangehende Vision: Mit Hilfe eines Visionboards oder einer Collage kann das Team durch passende Bilder und Schlagworte ausdrücken, was es mit der Vision verbindet. Die Teammitglieder tragen selbst das Material für die Collage zusammen.
Manchmal lassen sich so auch Diskrepanzen bei der Vision und den Zielvorstellungen einzelner Teammitglieder aufdecken. Das offenbart sich z.B. auch, wenn Sie alle Mitarbeiter im Team beim nächsten Meeting spontan bitten, die Ziele ‒ das, was davon im Kopf hängen geblieben ist ‒ schriftlich zu fixieren. Ich habe erlebt, dass manchmal sogar konträre Ziele notiert werden. Ein Team kann nicht gut funktionieren und TeamSpirit kann nicht entstehen, wenn keine Einigkeit über das angestrebte Ziel herrscht.

Team-Spirit-Faktor Rollenverteilung: Nutzen Sie die Stärken jedes einzelnen Teammitglieds

In jedem Team gibt es verschiedene Rollen, für die es geeignete Mitarbeiter braucht. Beim sogenannten Walt-Disney-Modell gibt es Träumer (Visionär, Ideenlieferant), Realisten (Realist, Macher) und Kritiker (Qualitätsmanager, Fragensteller). Das Team vereint verschiedene Rollen, Kompetenzen, jedes einzelne Mitglied hat seine Aufgaben, die es erfüllen muss. Der Erfolg eines Teams wächst auf vielen Schultern, nicht auf dem Ruhm einzelner Mitglieder. Zwar können einzelne High Performer ein Spiel oder eine Firmenpräsentation bestimmen, aber nicht ein Turnier bzw. die Performance einer Abteilung über einen längeren Zeitraum. Hier gewinnt jene Mannschaft, die jedes Mitglied Aufgaben entsprechend seiner Stärken übernehmen lässt. Je komplexer die Herausforderungen, desto variabler muss sich ein Team zeigen, desto vielfältigere Qualitäten sind gefragt.
In einem funktionierenden Team, wo sich alle einem zuvor definierten Ziel verpflichtet fühlen und den Sinn im Handeln und Entscheiden des Unternehmens erkennen, gedeiht TeamSpirit – und die Bereitschaft, flexibel zu sein, neue Aufgaben zu übernehmen, anderen zu helfen. Wem es als Chef gelingt, Zusammengehörigkeit zu schaffen und emotionale Ziele zu kreieren, die alle begeistern, der erntet nicht nur einen starken Team-Spirit, sondern auch starke Ergebnisse.

Es ist entscheidend für die Rollenverteilung, dass Führungskräfte die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter kennen. Das setzt voraus, dass Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern gut kommunizieren. Erfolgreiche Fußballtrainer sind im regen Austausch mit ihren Teams. Das gilt es auch in den Büros zu leben. Und gut kommunizieren heißt nicht, regelmäßig Monologe zu halten. Eine der goldenen Kommunikationsregeln lautet hier: 30 Prozent eigener Gesprächsanteil, 70 Prozent gehört den Mitarbeitern.

Team-Spirit-Faktor Wettbewerb: Konkurrenz belebt das Geschäft

Bundestrainer Joachim Löw hat seine Spieler immer wieder genau im Training beobachtet, danach Gespräche mit Einzelnen geführt und aus der Situation heraus entschieden, wer auf der Bank bleibt und wer aufgestellt wird. Von dieser internen Ausscheidung weiß jeder Spieler zu Trainingsbeginn. Dieser interne Wettbewerb erhöht die Performance der einzelnen Teammitglieder, weil jeder weiß, dass er sich immer wieder beweisen muss, um nicht auf der Reservebank zu landen. Auch bei diesem Wettbewerb gilt: Jeder sollte um das gemeinsame, übergeordnete Ziel wissen. Ein starker Team-Spirit verträgt Konkurrenz.

Studien haben gezeigt, dass Mitarbeiter kreativer, leistungsfähiger und produktiver sind, wenn ihr Umfeld von weiteren leistungsstarken Kollegen geprägt ist. Gesunde Konkurrenz dient auch hier als Ansporn. Wichtig ist, dass die Leistungskriterien transparent und nachvollziehbar sind.

Team-Spirit-Faktor Emotionen: Emotionen beeinflussen die Leistung

Wer die Emotionen seines Teams anspricht, setzt starke Impulse. Jede Zieldefinition gewinnt erst an Anziehungskraft, wenn sich der Einzelne im Inneren angesprochen fühlt. Im Sport arbeiten Führungskräfte oft mit dem Mittel der Emotionalisierung. Das lässt sich auf die Wirtschaft übertragen: Wenn es um einen großen Pitch geht, wenn es gilt, den Mitbewerbern eine Nasenlänge voraus zu sein, dann können Sie mit Motivationsbildern arbeiten, die im Besprechungsraum Ihres Teams hängen. Nehmen Sie Bilder eines Triumphs, der im Zusammenhang zum Ziel steht, und übertiteln Sie es mit Sätzen wie „Wer jubelt am Tag xy?“, der das Ende eines herausfordernden Projekts markiert, „Wer gewinnt xy als Kunden?“ während einer Akquisephase oder „Wer bekommt den Award 2018 für xy?“. Damit wecken Sie positive Gefühle bei Ihren Mitarbeitern im Zusammenhang mit dem definierten Ziel. Der Team-Spirit bekommt Aufwind durch solche Bilder. Das Bild setzt sich im Kopf jedes einzelnen Teammitglieds fest und motiviert.

Erfolgsfaktor Team-Spirit – was das „Wir-Gefühl“ ausmacht

Team-Spirit-Faktor Erfolg: Wer sich seiner Erfolge bewusst ist, nutzt sie für weitere

Erfolge wollen gefeiert werden – ob auf dem Rasen oder abseits davon. Das Zelebrieren von Erfolgen fördert nicht nur den Team-Spirit, sondern dient zur Motivation für weitere Erfolge – und die Erinnerung an vergangene Erfolge hilft bei der Bewältigung von Misserfolgen. Ein Bewusstsein für das, was das Team gemeinsam schon erreicht hat, lässt sich u.a. durch Rituale schaffen.

Zum Wir-Gefühl gehört auch, dass man Erfolge richtig feiert. Richten Sie eine „wall of success“ ein. Nach jedem erfolgreichen Projekt- oder Vertragsabschluss sollten Sie ein Bild davon an eine ausgewählte, gut sichtbare Wand hängen, die eine Historie Ihrer gemeinsamen Erfolge zeigt. Würdigen Sie Erfolge  – und gehen Sie nicht einfach sang- und klanglos zum nächsten Projekt über.

Mein Tipp: Die „Happy-Friday-Box“

Setzen Sie sich zum Beispiel jeden Freitagnachmittag für 20 Minuten mit Ihrem Team zusammen, bei Kaffee und Snacks, und reflektieren Sie gemeinsam die schönen und erfolgreichen Momente der Woche. Einzelne Teammitglieder schreiben dann ihren Moment auf einen Zettel und werfen diesen in eine Box. Alle drei bis sechs Monate öffnen Sie die Box und schauen gemeinsam auf die Erfolgs- und Glücks-Momente der vergangenen Zeit – und fügen der Box neue hinzu. Auch das stärkt den Team-Spirit.

Team-Spirit-Faktor Wir-Gefühl: Gemeinsames schaffen, Verständnis fördern, Erfolge feiern

Das vielbeschworene Wir-Gefühl lässt sich auf vielfältige Weise fördern. Jenseits von üblichen Betriebsfeiern können gemeinsame Erlebnisse und Übungen das Miteinander neu beleben. Ein Ausflug in den Hochseilgarten hilft, andere Teammitglieder oder auch Führungskräfte besser kennenzulernen. Von einem Coach angeleitete Übungen können wiederum dabei helfen, die Kommunikation zu fördern, Schwächen aufzudecken, Lösungen zu entwickeln. Solche Übungen emotionalisieren. Wir erinnern uns an Erfahrungen, die mit Emotionen einhergegangen sind, am ehesten. Die gemeinsame Erinnerung verbindet und stärkt ebenfalls den Team-Spirit – besonders dann, wenn wir dadurch gemeinsam ein Stück weiter in einer Sache oder einander näher gekommen sind.

Team-Spirit-Faktor Kommunikation: Offenheit ist oberstes Gebot

Offene, gleichberechtigte Kommunikation auf Augenhöhe ist ein wesentlicher Faktor für den Team-Spirit. Als Führungskraft sollten Sie sich regelmäßig Feedback einholen und dabei aufmerksam zuhören. Wohlgemerkt: Zuhören, nicht verteidigen, rechtfertigen oder belehren. Je besser Ihnen das gelingt, umso offener wird Ihr Team mit Ihnen kommunizieren, Probleme offenlegen oder Bedürfnisse klarmachen. Eine gute, funktionierende Kommunikation zwischen Chef und Team ebenso wie innerhalb des Teams ist die halbe Miete auf dem Weg zum Ziel. Diese Kommunikation sollte auf gemeinsam vereinbarten Regeln und Werten beruhen, die von allen respektiert werden – das bedeutet auch: keine Ausnahmen für die Star-Spieler im Team. Auch hier dient der Sport als Vorbild: Wer sich nicht an die Regeln hält, wird abgestraft.

Team-Spirit-Faktor Umgang mit Fehlern: Fail forward – Niederlagen zulassen und nutzen

Mit Misserfolgen tun sich viele Unternehmen immer noch schwer. Wer etwas riskieren soll, macht auch Fehler. Wenn jedoch Fehler per se untersagt sind und verteufelt werden, dann wird nichts mehr ausprobiert, es gibt keine Innovationen, die Kreativität wird gehemmt. Das bedeutet fürs Unternehmen Stillstand statt Weiterentwicklung. Die Teams leisten Dienst nach Vorschrift. Höchstleistungen sind hier nicht mehr zu erwarten. Dem Team-Spirit wäre es vielmehr zuträglich, wenn niemand für einen Fehler in die Ecke gestellt wird und die Schuldfrage jede konstruktive Diskussion im Keim erstickt.

Triple A: Akzeptieren, analysieren, abhaken!

Fehler und Misserfolge sind Lernchancen. Um sie gewinnbringend zu verarbeiten, ist Akzeptanz Voraussetzung, das erste A des AAA-Prinzips. Klagen, jammern und „Was wäre …, wenn…“-Fragen bringen niemanden weiter. Akzeptieren Sie, dass Ihre Performance und/oder die Ihres Teams nicht optimal waren. Sorgen Sie für eine zeitnahe Analyse, dem zweiten A. Zuvor nehmen Sie sich Zeit genug, um negative Stressgefühle abzubauen (z. B. durch Bewegung in der Natur, Musik hören, einen Wut-Ball drücken usw.), sonst ist Ihr Kopf nicht frei für eine klare Analyse. Richten Sie bei Ihrer (schriftlichen) Analyse den Fokus nicht allein auf Schwächen und Defizite:

  • Was waren Faktoren für den Misserfolg?
  • Was lief gut? Welche Stärken kamen zum Tragen?
  • Was kann ich/können wir daraus lernen? (Learnings)
  • Was und wie lässt es sich beim nächsten Mal besser machen?
  • Was lässt sich verändern? Wie?
  • Wie üben wir das?

Wichtig: Bei Ihren Schlussfolgerungen helfen kein Abwerten („Sie sind ein Versager“, „xy taugt nichts“) oder Katastrophisieren („Es wäre absolut schrecklich, wenn…“).

Und schließlich gilt das dritte A, nämlich Abhaken! Lassen Sie die Vergangenheit hinter sich, Sie können sie nicht mehr ändern. Blicken Sie stattdessen mit Ihrem Team zuversichtlich Richtung neue Chancen.
Nutzen Sie die Erkenntnisse aus der Analyse, um die Performance zu verbessern – für einen neuen Anlauf.

Erfolgsfaktor Team-Spirit – was das „Wir-Gefühl“ ausmacht

Ob auf dem Rasen oder dem Parkett: Es braucht die Bereitschaft jedes Teammitglieds und jeder Führungskraft, sich ständig weiterentwickeln und reflektieren zu wollen – denn jedes Spiel, jede Herausforderung, jede Situation ist anders. Ein guter Team-Spirit hilft dabei, auch schwierige Situationen erfolgreich zu meistern. Und dann geht es weiter als bis in die Vorrunde.

© Antje Heimsoeth

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