Fehlt es fürs Home-Office an Vertrauen?

Fehlt es fürs Home-Office an Vertrauen? - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

04. Feb 2022

Skeptiker unter den deutschen Managern befürchten, dass Mitarbeiter im Home-Office ihrer Arbeit nicht oder nicht ausreichend nachgehen. Klar ist, dass die Remote-Arbeit jede Menge Herausforderungen bereithält – neben technischen noch vielmehr (zwischen-)menschliche. Gegenseitige Interaktion, Zusammenarbeit und persönlicher Austausch fallen ungleich schwerer als von Angesicht zu Angesicht. Und dann ist da oft noch die Sache mit dem fehlenden Vertrauen …

Aus einem Webinar des Roth-Instituts mit Prof. Dr. Dr. Roth und Sebastian Herbst, an dem ich neulich teilnahm, nahm ich Folgendes mit: Zuhause (geschützt, gewohnt) arbeiten gerne Menschen, die möglichst wenig Aufregung haben. Mitarbeiter, die lieber zuhause arbeiten, wollen Kontrolle über Ihr Leben haben. Sie „lieben“ möglichst wenig Aufregung.
Und andere gehen lieber ins Büro, weil sie eben mehr erleben wollen, Bindung suchen und aus sich herausgehen.

Menschen sind extrem unterschiedlich.
Wir sind gebunden an die Umgebung, in der wir sind.
Wir lebten mit unserem Gehirn in der Steinzeit, so Prof. Dr. Dr. Roth.

Was ich mir bisher auch noch nicht so bewusst gemacht hatte – online sind unsere Gesichter unterschiedlich groß (je nach Abstand zum Bildschirm und Sitzhöhe). Wir sind abgelenkt z.B. durch den Hintergrund, was auf Kosten der Konzentration gehe. Unsere Auffassungsgeschwindigkeit sei belastet. Viele kennen das – am Ende eines Tages vor dem Bildschirm mit vielen virtuellen Meetings fühlen wir uns ausgelaugt.
Im Büro kennen wir die Umgebung.
Wir brauchen Präsenzzeiten für den Vertrauens- und Beziehungsaufbau. Teams, die sich virtuell formen, hätten längere Anlaufzeiten. Wir brauchen in Onboarding Phasen Präsenzzeiten, um die Bindung herzustellen (Teambuilding Events).

Den meisten Menschen liege es nicht, 80% (zu viel) virtuell zu arbeiten und 20% in Präsenz.
Dominanz von Homeoffice kann Burnout auslösen, ist verantwortlich für Leistungsminderung. Die psychische Belastung steige. Depression, Vereinsamung und Burnout stiegen gewaltig. Erkrankungen am Bewegungsapparates nähmen zu.

Bei 14-, 15-jährigen sei die Auffassungsgabe am Schnellsten. Je älter wir werden, umso schwieriger wird es sich zu konzentrieren. Im Alter bräuchten wir Beständigkeit.

Lesen Sie auch: So arbeiten Sie fokussiert im Home-Office

Die Fragen, die wir uns in Unternehmen stellen müssen: Was braucht die Gesamtorganisation? Was wollen die Mitarbeiter?

In diesem Blogartikel möchte ich auf das folgende Thema eingehen: Warum tun sich Führungskräfte so schwer, zu vertrauen?

Warum fehlt es oft an Vertrauen?

Vertrauen bedeutet eigentlich nichts anderes, als sich auf den anderen verlassen zu können – kurz-, mittel und langfristig. Warum aber ist das so schwer? Was macht es so diffizil, Vertrauen aufzubauen und zu erhalten? Resultieren aus Vertrauen doch letztlich (fast) nur Vorteile, lassen wir missbrauchtes Vertrauen mal außen vor. Vertrauen schafft einen echten Wettbewerbsvorteil, weil es Innovation und Kreativität freisetzt. Im Umkehrschluss wirkt Kontrolle oft einengend – auch weil es Mitarbeitern darum geht, eigenständig zu denken und zu handeln. Selbstverantwortung ist das Gebot der Stunde in Zeiten, in denen Vertrauensarbeitszeiten und Home-Office an der Tagesordnung stehen. Schlecht für Führungskräfte, die an alten, ich würde gar sagen überholten, Führungsmodellen festhalten. Sie werden den Anforderungen an die moderne Arbeitswelt schlicht nicht mehr gerecht. 

Gegenseitiges Vertrauen ist keine Selbstverständlichkeit

Natürlich ist es nicht einfach, „blind“ zu vertrauen. Die Angst vor dem Unbekannten lässt uns zögern. Außerdem ist Vertrauen immer verbunden mit der Gefahr – enttäuscht oder gar betrogen zu werden, oftmals in Kombination mit schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit. Doch einmal mehr gilt im Leben: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Einer muss den ersten Schritt gehen und sehen, was passiert. Im Gefüge Führungskraft und Mitarbeiter sind Sie als Führungskraft am Zug, diesen ersten Schritt zu machen. Vielleicht ist man hinterher ernüchtert. Vielleicht passiert aber auch etwas vollkommen Unerwartetes. Oder vielleicht überrascht einen das Gegenüber. Auch ich erlebe immer wieder einmal, dass man nicht allen Menschen vertrauen kann – auch wenn ich grundsätzlich eher ein Mensch bin, der Vertrauensvorschuss gibt. In den meisten Fällen jedoch muss Vertrauen erst einmal entstehen. Am einfachsten fällt uns anderen zu vertrauen, wenn wir die Reaktion unseres Gegenübers voraussehen können. Kennen wir unser Gegenüber als grundsätzlich ehrlichen Menschen, wird es uns nicht schwerfallen, ihm oder ihr unser Vertrauen zu schenken. Hat derjenige sich in der Vergangenheit loyal verhalten? Geht er oder sie besonnen vor? All diese Faktoren – im Idealfall in einer gewissen Konsistenz unter Beweis gestellt – sind Gradmesser und gute Ausgangsfaktoren für unser Vertrauen.

Meine 5 GOs für den erfolgreichen Vertrauensaufbau

Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit. Wagen Sie den ersten Schritt und nutzen Sie Ihre Vorbildfunktion. Am besten funktioniert das mit folgenden Tipps:

  1. Schieben Sie Misstrauen und (übermäßige) Kontrollen beiseite
    Wer misstrauisch ist, braucht sich nicht wundern, wenn ihm Misstrauen zurückschlägt. Oft äußert sich dieses Misstrauen bei Führungskräften durch erhöhte Kontrollen, im schlimmsten Fall einem regelrechten Kontrollzwang. Lassen Sie los!
  2. Miteinander statt Konkurrenz
    Machen Sie sich bewusst, dass andere auch etwas können. Manchmal anders, vielleicht sogar besser als Sie selbst. Sie stehen nicht in Konkurrenz mit Ihren Mitarbeitern. Ganz im Gegenteil! Jeder hat seine Stärken, Fähigkeiten und Talente und gemeinsam eingesetzt können diese viel bewegen. Nehmen Sie sich zurück, gemeinsam schaffen wir doch so viel mehr.
  3. Ist es noch Qualitätsdenken oder Perfektionismus?
    Heute herrscht ein regelrechter Optimierungswahn. Wir möchten immer noch besser, schneller, effektiver werden. Die Folgen im schlimmsten Fall: Burnout und Depressionen, weil Menschen das Gefühl haben, nicht mehr zu genügen. Es geht ja gar nicht darum, Fünf gerade sein zu lassen – Qualität darf nicht leiden. Trotzdem: Setzen Sie Vertrauen in Ihre Mitarbeiter und Sie können gemeinsam einem schädlichen Perfektionismus abschwören.
  4. Seien Sie kongruent
    Unterhalten wir uns mit Menschen, haben wir manchmal so ein Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Unser Gegenüber sagt etwas, doch so recht wollen wir ihm das nicht glauben. Was ist passiert? Ganz einfach: Scheinbar passen die verbalen und nonverbalen Signale irgendwie nicht ganz zusammen. Beginnen Sie bei sich selbst und gehen mit gutem Beispiel voran: Je kongruenter Sie als Führungskraft auftreten, je besser das, was Sie sagen und wie Sie es sagen und letztlich natürlich auch tun, zusammenpassen, umso eher sind Mitarbeiter bereit, Ihnen zu vertrauen.
  5. Gesunde Fehlerkultur
    Wo Menschen aufeinandertreffen, wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Menschen sind nun mal nicht unfehlbar. Das gilt für Mitarbeiter ebenso wie für Führungskräfte. Manchmal passiert einfach etwas Blödes, ein Missgeschick, ein Missverständnis, ein vermeintlich „dummer“ oder auch folgenreicher Fehler. Machen Sie sich bewusst, dass niemand gerne oder bewusst Fehler macht. Gerade diese beweisen aber auch, dass Mitarbeiter Initiative gezeigt haben, sich getraut haben zu handeln? Erfolgreiche Führungskräfte zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie eine optimistische Grundhaltung einnehmen. Und damit lassen sich Fehler gemeinsam besser verarbeiten.

Gehen Sie auf (Vertrauens-)Empfang

Vergessen Sie bei aller Vorbildfunktion und allem Sendebewusstsein dennoch Ihre Aufgabe als Empfänger nicht.  Oftmals sind wir zu sehr mit uns selbst, unseren Aufgaben und Pflichten beschäftigt, dass schlichtweg Kapazitäten fehlen, um die Äußerungen unseres Gegenübers in einem Gespräch fokussiert aufzunehmen oder darüber nachzudenken. Dabei ist es genau dieser persönliche Austausch, der Missverständnisse vermeidet, Erwartungen beidseits offenlegt und Vertrauen wachsen lässt.

Wo Schatten ist, ist auch Licht! Denn den anfangs erwähnten Bedenken zum Trotz sehen aktuellen Umfragen (vgl. https://www-manager–magazin-de.cdn.ampproject.org/c/s/www.manager-magazin.de/unternehmen/homeoffice-deutsche-manager-befuerchten-dass-ihre-mitarbeiter-bummeln-a-4bbaea4e-69df-4a2a-9552-ab95dd9c8561-amp) zufolge mehr als 80 Prozent der Manager auch die Vorteile der Arbeit im Home-Office. Investieren Führungskräfte jetzt noch in Vertrauen, ist vieles möglich. Überwinden Sie ihre Angst! Wagen Sie das gewisse Risiko – die Chance enttäuscht zu werden, ist kleiner als gedacht.

Ihre © Antje Heimsoeth

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Antje HeimsoethÜber die Autorin
Antje Heimsoeth
Ihre berufliche Laufbahn begann Sie als Geodätin. Heute gehört Sie als erfolgreiche Keynote Speakerin mit hunderten von Vorträgen und Expertin für Mentale Stärke, Motivation, Leadership, Erfolg, Selbstführung und Spitzenleistungen und zehnfache Buchautorin zu den bekanntesten, gefragten und einflussreichsten Mental Coaches von Spitzensportlern, Führungspersönlichkeiten, Vorständen, Spitzenmanagern, Unternehmern und Rednern. Sie wurde als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und 2021, mit dem Award „Erfolgreiche Unternehmerin 2016“, in 2019 mit Top 10 Trainer & Influencer und in 2017 mit TOP 100 Erfolgstrainer (durch das Magazin ERFOLG) ausgezeichnet. Bei Managern und Medien gilt sie als „renommierteste Motivationstrainerin Deutschlands“ (FOCUS).

 

 

 

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