Führungskräfte-Bashing in den sozialen Netzwerken

Führungskräfte-Bashing in den sozialen Netzwerken

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

29. Jan 2024

Kategorien

Soziale Netzwerke wurden ursprünglich mit dem Ziel geschaffen, Menschen miteinander zu verbinden. Informationen und Interaktion standen im Mittelpunkt. Wir wollten in Kontakt kommen und bleiben. Communitys aufbauen und uns selbst darstellen. Geschäftlich eine Marke bilden, die eine oder andere Kundenbeziehung anknüpfen und ausbauen. All das passiert nach wir vor, viel Schönes und Gutes. Aber eben auch das Gegenteil: Fake News, Abhängigkeiten und unzählige aggressive und beleidigende Kommentare oder Kritik gegenüber einzelnen Personen oder einer persönlichen Meinung. All das lässt mir manchmal die Haare zu Berge stehen. Und zweifeln an der Menschheit sowie der Menschlichkeit, einer guten Kinderstube und den gesellschaftlichen Werten unserer Demokratie.

Bashing ist kein Kavaliersdelikt! Bashing hat dramatische Auswirkungen auf uns, unseren Umgang miteinander und unsere Kultur. Bashing schafft eine negative Atmosphäre. Bashing schränkt jeden konstruktiven Austausch ein. Bashing verursacht, dass Menschen leiden. Es reicht! Dieses Abwerten, diese Angriffe müssen ein Ende nehmen! Und wir alle haben es selbst in der Hand – oder vielmehr auf der Tastatur. Wenn wir vor dem Schreiben einfach einmal mehr darüber nachdenken, dass ein Mensch am anderen Ende sitzt.

Wie so oft, sitze auch ich gerade wieder einmal vor einem Post, der mich erstaunt, überrascht und ungläubig mit dem Kopf schütteln lässt. Da zeigt ein „Experte“ sein eigenes Bild und als Text steht dabei: „Schlechte Führungskräfte muss man sich leisten können.“ Mein erster Gedanke ist: „Schlechte Mitarbeiter auch!“ Zugleich stelle ich mir die Frage: „Was löst denn eigentlich eine solche Einteilung und Diskussion über schlechte und gute Führungskräfte aus?“ Oft sind es Trainer, Berater oder Coaches, die generalisierende und reißerische Aussagen posten. Mit dem Ziel, Aufträge zu generieren – oder zumindest Interesse zu wecken. Ich persönlich würde, wenn ich Chef wäre, nie jemandem engagieren, der so über Führungskräfte in den sozialen Netzwerken schreibt.

Natürlich ist nicht jeder Mensch ein Leader – und das ist völlig in Ordnung. Nur: Wann ist jemand eine gute Führungskraft und wann ist jemand eine schlechte Führungskraft? Und wer entscheidet letztendlich darüber? Gibt es nur gut oder schlecht? Schwarz oder weiß? Absolut nicht! Für mich gibt es unwahrscheinlich viel Grau dazwischen. Dazu kommt: Was für den einen eine gute Führungskraft ist, ist für den anderen eine schlechte Führungskraft. Nochmal: Wir sprechen von ein- und derselben Person. Der eine würde sagen: „Der/die ist top!“ und der andere würde sagen „Der/die geht gar nicht!“.

Oberflächliche Posts = oberflächliche Likes

Es gibt Studien, die darüber Aufschluss geben, dass Angestellte ihren aktuellen Arbeitsplatz meistens wegen des Chefs verlassen. Das heißt für mich aber in letzter Konsequenz noch lange nicht, dass diese Chefs, diese Führungskräfte generell einen schlechten Job machen. Und ich mag einfach nicht mehr länger tatenlos zusehen, dass auf LinkedIn ständig jemand auf dieses Thema „gute/schlechte Führungskräfte“ einzahlt. Vor allem wird zum Großteil über die so furchtbar schlechten Führungskräfte geschrieben. Nur wenigen ist es die Mühe wert, von den vielen – wenn wir schon kategorisieren – guten Führungskräfte zu berichten.

Davon abgesehen, warne ich davor, zu diesem für so viele Menschen wichtigem Thema nicht zu reflektieren. Mit oberflächlichen Posts gewinnen wir auf Social Media oberflächliche Likes – dabei hat die Aufgabe der Führung doch so viel mehr verdient. Denn es geht um Menschen – auf beiden Seiten: Bei den Führenden und den Mitarbeitenden!

Wertschätzung und Respekt sind keine Einbahnstraße!

Eine Sache, die auf Social Media – ebenso wie bei Mitarbeiterbefragungen –  viel und oft gefordert wird, ist „Wertschätzung und Respekt“. Ja, auch ich bin selbst zutiefst davon überzeugt, dass wir in einer Wertschätzungswüste leben. Aber das geht über alle Bereiche hinweg. Das ist nicht begrenzt auf Führungskräfte – auch wenn es bei diesen oft besonders herausgestellt und betont wird. Das geht auch Mitarbeiter an! Wenn diese mehr Anerkennung fordern und gleichzeitig in der Raucherecke über ihre Führungskraft lästern, dann ist das für mich sehr unehrlich. Wertschätzung und Respekt sind keine Einbahnstraße!

Ich kann nur sagen: Als Business Mental Coach begegnen mir sehr viele sehr gute Führungskräfte. Vielleicht weil ich eine andere Brille aufhabe. Vielleicht weil ich das Gute im Menschen sehen will. Vielleicht weil ich weiß, dass das Leben auch im Führungsalltag ein Auf und Nieder ist. Niemand kann immer gut gelaunt sein und jeden Tag den fröhlichen Entertainer geben. Auch Führungskräfte sind Menschen mit Gefühlen, persönlichen Empfindungen, die bei aller Professionalität und Souveränität ans Tageslicht kommen dürfen. Dazu ein persönliches Erlebnis.

Vor wenigen Tagen habe ich ein Gratis Webinar in Form eines kleinen Vortrags gehalten. Alles frei gesprochen zu einem Thema, das mir am Herzen liegt. Mit einem Auge im Chat lese ich die Frage einer Ärztin, wie ich denn mit einem Lächeln Menschen abholen würde? Auf meine Nachfrage, wie sie das meint, erklärt sie: „Sie lächeln nicht!“ Für sie sei ich hart. Also ein Mensch, der nicht lächelt, ist hart. Ja, sagt sie.

Genau das ist es, was es momentan so schwierig macht in der Gesellschaft. Eine Erwartungshaltung, ein schnelles (Vor-)Urteil – bis hin zur pauschalen Verurteilung. In ihrer Vorstellung habe ich als Mental Coach und Vortragende zu lächeln. PUNKT! Ein wenig anderer Meinung, habe ich ihr versucht zu erklären, wie es in mir ausschaut: Vielleicht mag es ein wenig ernst rüberkommen. Allerdings bin ich als Vortragende hoch konzentriert – da immer zu lächeln fällt mir schwer und ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt geht. Ein Spitzensportler unmittelbar vor oder während des Wettkampfs kann und wird meist auch nicht lächeln.

Zum anderen: Wenn ich hier im Coaching einen Klienten sitzen habe, der von seiner Versagensangst erzählt, von seinem großen Lampenfieber, von Angst aufgrund eines schweren Autounfalls, vom Tod seines Partners durch Herzinfarkt und ich lächle … so hole ich niemand ab. Im Gegenteil. Da zerstöre ich jede Form von Beziehung.

Wir sind keine Maschinen!

Diese Verallgemeinerungen sind genau das, was unsere Gesellschaft gerade spaltet und polarisiert. Aber zurück zu den Führungskräften. Hier geht es mehr um die Haltung: Wer möchte ich sein? Dabei gilt diese Frage für alle, auch für die Mitarbeiter. Also: Will ich ein guter Mitarbeiter sein? Was kann ich persönlich dafür tun? Wo und wie darf ich mich engagieren, um dies zu schaffen?
Genauso müssen sich Führungskräfte immer wieder kritisch hinterfragen – am besten einmal pro Woche. Und sich zugleich zugestehen, dass es Momente gibt, in denen sie schlecht reagiert haben oder eine falsche Entscheidung getroffen haben. Wir sind schließlich keine Maschinen!

Abschließend ein paar kurze ergänzende Gedanken – zur Anregung und zur Diskussion:

Führungskräfte-Bashing in den sozialen Netzwerken

Von Mensch zu Mensch

In Führungskräfte-Trainings wird viel über Führungsstile, beispielsweise den situativen Führungsstil, gesprochen. Diese Stile zu kennen ist das eine, sie anzuwenden etwas ganz anderes – und ich sage auch warum: Für mich ist der einzige gute Stil, der zählt, die Führung von Mensch zu Mensch. Ich finde jemand ist dann eine gute Führungskraft, wenn ihm das passiert, was über Jürgen Klopp geschrieben wird. Dass ein Spieler über ihn sagt, er sei nicht nur ein toller Trainer, sondern ein toller Mensch. Genau darum geht es in der Führung.

Die Auswahl machts

Auf Social Media wird häufig und ausführlich beschrieben, wie wenig Wert auf die Auswahl von Führungskräften gelegt wird. Vielleicht sollten diejenigen einmal selber Führungskräfte auswählen. Das ist gar nicht so einfach! Und ein bisschen vergleichbar mit der Partnersuche. Man verliebt sich, findet den Partner am Anfang wahnsinnig toll, und nach einem halben Jahr regt man sich über die offene Zahnpastatube auf. Vieles zeigt sich eben erst im Alltag – auch bei der Führung. Erst dann werden wir den Menschen in seiner Tiefe und in seiner Ganzheitlichkeit sowie Einzigartigkeit erfahren und so auch erleben, ob er ins Team passt. Ich würde im Idealfall jemandem eine Probezeit geben und dann das Team entscheiden lassen. Nicht ich als Recruiter oder als Personaler, sondern das Team muss schließlich mit der Führungskraft zurechtkommen.

Atmosphäre gilt für jeden – im Team

Im eingangs genannten Social Media Post heißt es: „Gute Führungskräfte beeinflussen die Atmosphäre, die im Team herrscht.“ Ja, aber das gilt für alle im Team! Auch für jeden Mitarbeiter. Eine einzelne Person, die schlechte Stimmung verbreitet, die ständig nörgelt, die ständig unzufrieden ist, kann ein ganzes Team zerreißen. Wenn die Stimmung vergiftet ist, dann geschieht dies völlig unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter oder die Führungskraft die Ursache dafür ist.

Glück ist immer nur ein Moment

Oft lesen wir im Zusammengang mit Arbeit und Führung: Alle Menschen sollten in ihrer Tätigkeit möglichst glücklich sein. Dabei darf man eines nicht vergessen: Glück ist immer nur ein Glücksmoment. Es gibt kein Dauerglück, auch nicht in der Arbeit – und ich liebe meinen Beruf wahrlich. Natürlich sind dabei auch Tätigkeiten, wie zum Beispiel Buchhaltung oder die Vorbereitungen für meinen Steuerberater, die ich alles andere als mag. In diesen Momenten Glück zu empfinden, das  ist schwerlich möglich. Ich wäre glücklich, ich könnte komplett darauf verzichten. Kann ich aber nicht, weil der Steuerberater von mir einfach Belege und Informationen braucht.

Wie gesagt: Wir sind keine Maschinen – zum Glück! Und es gibt keinen Menschen, der immer gut ist, der immer die richtige Entscheidung trifft, der immer die richtigen Worte findet. Wer das kann, der möge den ersten Stein werfen.

Weiterlesen: Glück im Job – 7 Tipps für mehr Zufriedenheit

Fazit: Ich wünsche mir, dass wir weniger Schwarz-weiß denken und dafür sehr viel mehr über das Grau reden. Denn Leben ist eine lebenslange Ausbildung, das gilt für alle und natürlich auch für Führungskräfte. Also lasst uns aufhören mit dem Führungskräfte-Bashing und uns zugestehen, dass wir nur gemeinsam unsere Ziele erreichen. Und vielleicht schaffen wir es zusammen mit und auf den Sozialen Netzwerke ja back to the roots: Menschen wieder miteinander zu verbinden. Wertschätzend und respektvoll!

© Antje Heimsoeth

Eine Auswahl meiner Themen:

Über die Autorin
Antje Heimsoeth ist eine der bekanntesten Business- und Mental-Coaches im deutschsprachigen Raum. Sie ist „Deutschlands renommierteste Motivationstrainerin“ (FOCUS), „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und 2021 und Expertin für die Themen mentale und emotionale Stärke, Mentale Gesundheit, Stressmanagement & Resilienz und Selbstführung. Ihr Know-how beruht auf Praxiserfahrungen, die durch wissenschaftliche Impulse stets untermauert werden. Mit ihren Büchern und Vorträgen hat Sie über 850.000 Menschen erreicht. 2019 wurde sie zum Senat der Wirtschaft berufen.

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