Keynote Speakerin & Mental Coach Antje Heimsoeth im Interview,
geführt von Radioexperten.
Frau Heimsoeth, gerade bei Turnieren wie die Fußball EM 2016 ist die Anspannung durchgehend hoch – im Job gibt es auch solche Phasen. Wie kann man die Konzentration da halten?
Die Anspannung ist bei Turnieren meistens am Anfang oder vor dem Turnier relativ hoch. Sportler lernen, damit umzugehen und ihren idealen Leistungszustand (ILZ) zu finden. Dieser liegt zwischen Anspannung, Überforderung, Nervosität auf der einen Seite und Entspannung, Langeweile und Desinteresse auf der anderen Seite. Wer dauerhaft zu angespannt ist, wird nicht seine beste Leistung im Wettkampf abrufen können.
Manche Menschen können sich auch unter Anspannung gut konzentrieren. Konzentration lässt sich nicht non stop ohne Pausen über Stunden aufrecht halten – weder im Sport noch im Arbeitsalltag. Um immer wieder konzentriert sein zu können, benötigen wir zwischendurch Pausen zur Erholung. Das Ritual der Mittagspause – ob allein oder mit Kollegen – ist deshalb als eine klare Unterbrechung der Arbeit sehr wichtig. Die Pause sollte nicht vor dem Bildschirm verbracht werden, sondern mit einem Umgebungswechsel verbunden sein. Um zwischendurch zur Ruhe zu kommen, helfen auch Stressbewältigungsmaßnahmen wie eine bewusste, tiefe Atmung in den Bauch oder das Abrufen positiver innerer Bilder, z.B. von einem Lieblingsort am Strand.
Angenommen man schwimmt auf einer Erfolgswelle und alles läuft rund. Was lerne ich daraus?
Kurz gesagt: das sehr gute Gefühl (Flow), das in mir den Wunsch nach mehr erzeugt. Das mit dem Erfolgserlebnis verbundene Wohlbefinden lässt sich im Unterbewusstsein abspeichern – und das ist für künftige Herausforderungen von großem Nutzen. Rufe ich in einer herausfordernden Situation solche „Moments of excellence“ vor meinem geistigen Auge ab, mache mir also meine Erfolge wieder bewusst, dann versetze ich mich in einen positiven Zustand. Das schenkt mir Zuversicht und Sicherheit.
Ich empfehle meinen Klienten, ein Erfolgstagebuch zu führen. Oft erinnern wir uns an negative Ereignisse, sie bleiben länger und besser im Gedächtnis haften. Damit kleine, mittlere, große Erfolge nicht in Vergessenheit geraten, hilft das Führen eines Tagebuchs, mit wenigstens wöchentlichen Eintragungen. Dort dokumentieren wir unsere Erfolgserlebnisse möglichst detailgenau und schaffen damit ein konkretes Bild, um das zu einem späteren Zeitpunkt wieder im Kopf aktivieren zu können. Die Lektüre des Tagesbuchs hilft dann nicht nur zur Motivation vor Herausforderungen, sondern auch in Momenten der Niederlagen oder des Zweifelns an sich selbst.
So schnell wie es hoch gehen kann, kann es auch schnell wieder bergab gehen. Wie gehe ich da am besten mit um?
Das ganze Leben besteht aus Hochs und Tiefs. Das zu akzeptieren ist eine Grundvoraussetzung für ein gutes Selbstmanagement. Tatsächlich lernen wir in den Tiefs am meisten für unsere persönliche Weiterentwicklung. Im Moment einer Niederlage fühlt sich das natürlich erstmal alles andere als positiv an. Um Scheitern gewinnbringend zu verarbeiten, hilft das sogenannte Triple A-Prinzip: A wie Akzeptieren, A wie Analysieren und A wie Abhaken. Begreifen Sie Niederlagen und Fehler als Lernchancen!
Dabei helfen Gespräche mit Vertrauenspersonen, wo Sie offen Schwächen zeigen können und Ihr Wert als Mensch, unabhängig von der Sache und Ergebnis, unangefochten bleibt. Um Ihre Niederlage zu verarbeiten, ist Akzeptanz Voraussetzung. Klagen, jammern und „Was wäre …, wenn…“-Fragen bringen Sie nicht weiter. Akzeptieren Sie, dass Sie versagt haben. Bauen Sie negative Stressgefühle ab, z.B. durch körperliche Betätigung wie Walken oder Joggen, Musik machen oder hören, in den Wald gehen und schreien, einen Wut-Ball drücken, ein gutes Essen mit Freunden o.ä. Das macht den Kopf frei und hilft Ihnen auch auf emotionaler und körperlicher Ebene. Dann nehmen Sie sich Zeit für eine Analyse der Niederlage. Wichtig: Richten Sie bei Ihrer (schriftlichen) Analyse den Fokus nicht allein auf Schwächen und Defizite:
- Was waren Faktoren für den Misserfolg?
- Was lief trotz Misserfolg gut? Welche Stärken kamen zum Tragen?
- Was kann ich aus der Situation lernen?
- Was lässt sich verändern?
Bei Ihren Schlussfolgerungen helfen kein „ich muss“ oder „die anderen müssen“. Ebenso wenig nützt es Ihnen, sich und andere global abzuwerten („ich bin ein Versager“, „die neue Kollegin taugt nichts“) oder zu katastrophisieren („es wäre absolut schrecklich, wenn …“).
Dann: Abhaken! Nehmen Sie die Niederlage nicht mit in die Zukunft. Was geschehen ist, ist geschehen, aber es ist vorbei. Lassen Sie Ihr weiteres Handeln davon nicht negativ beeinträchtigen.
Lesen Sie mehr dazu im FOCUS-Artikel „Lernen von unseren Weltmeistern“, 11 Erfolgsregeln, die von Focus zusammen mit mir herausgearbeitet worden sind.
Fußball EM 2016 – Was wir von den EM-Helden lernen können – Teil 2 >>
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