Mentale Gesundheit: „Psycho-Boom“?

Mentale Gesundheit: „Psycho-Boom“?

Mentale Gesundheit wird meiner Ansicht nach immer wichtiger, weil sie immer mehr bedroht ist.
In einer immer schneller drehenden Welt, die mehr Anforderungen schon an unsere Kleinsten hat, bleibt die mentale Gesundheit auf der Strecke. Schon Kinder fühlen sich gestresst, haben Burnouts oder Ängste, die sie nicht mehr verarbeiten können (Studie Pro Juventute 2023).

Die Krankenkassenstatistiken zeigen, dass die Anzahl der psychischen Erkrankungen steigt. Und es besteht kein Zweifel, dass seit ein paar Jahren durch Corona, Wirtschaftskrisen, Inflation in Europa, Kriege usw. von außen noch zusätzliche Rahmenbedingung hinzukommen, die die Menschen fordern.

Ich halte mentale Gesundheit für ein ganz zentrales Thema unserer Zeit und gleichzeitig für einen Psycho-Boom. Ich habe den Eindruck, dass – wie nicht zum ersten Mal – ernste Themen extrem gut vermarktet werden.

Historisch gesehen haben sich schon Aristoteles oder V. Frankl damit beschäftigt, wie wir mental gesund leben. Im 20. Jahrhundert lag der Fokus der psychologischen Forschung dann stark auf Krankheiten, die es zu beseitigen galt.

Erst seit den 1990er Jahren besteht mit der Positiven Psychologie eine Forschungsrichtung, die den (gesellschaftlich wohl benötigten) Trend auf wissenschaftliche Grundlagen stellt.

Und ja, es gibt zu allem auch eine Übertreibung und leider auch eine kapitalistische Seite. Trotzdem: Lieber zu viel Yoga und FeelGoodManager in einem Unternehmen, als eine Kultur, in der gestresst sein zum guten Ton gehört und Mitarbeiter gegeneinander arbeiten.

Die Aufmerksamkeit für psychische Erkrankungen ist so groß wie nie. Es gibt einerseits fast schon inflationär viele und manchmal zweifelhafte Angebote rund ums Thema Prävention im Netz. Mit dem Psycho-Boom wächst auch das Angebot an schnellen Lösungen: Retreats gegen Burn-out, Atemtechniken gegen Angst und Stress, Selbstdiagnosen per Social Media und KI. Der ganzen Bedeutung von Mental Health wird niemand mit – ich darf zitieren – „Arbeitsplatzgestaltung bis zur Ayurveda Anwendung, von Off-Zeiten bis bis hin zum Zumba“ nicht gerecht.

Der Psycho-Boom macht mir Sorgen, weil echte Erkrankungen wirklich individuell betrachtet und behandelt werden sollen. Da hilft eigene Erfahrung und die Weitergabe von Küchenpsychologie leider wenig – ist mitunter kontraproduktiv.

Und dann ist ja noch die Frage, was die „Norm“ sein kann oder sein muss in punkto Resilienzfaktoren – im Vergleich zu anderen oder z.B. zu Vorgängergenerationen. Da spielen auch viele soziale Faktoren mit rein.

Eine abschließende Antwort habe ich nicht. Ich wäre grundsätzlich dafür, bereits Kindern und Jugendlichen zu lehren, sich Fähigkeiten anzueignen, die eigenen Grenzen kennenzulernen und dafür einzustehen. Aber auch Fähigkeiten, um sich mit Krisen auseinanderzusetzen. Und auf sich und andere zu achten.

Gesundheit – Was ist das?

Gesundheit ist – und hier will ich die WHO zitieren: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

Ausgehend von der Definitionen von Mental Health der WHO würde ich sagen: Es gibt noch viel zu tun:

  • – auf gesellschaftlicher (System) Ebene
  • – auf den Bereich Arbeit bezogen und
  • – … vielleicht am wichtigsten: bei jedem von uns selbst.

Wir selbst sind hauptverantwortlich für unsere (mentale) Gesundheit und wir selbst brauchen Fähigkeiten und Kompetenzen, um mit den Belastungen des Lebens gut klarzukommen. Diese Fähigkeiten können wir aufbauen.

Wenn wir die Art und Weise, wie wir leben, überdenken würden, gäbe es den Psycho-Boom in dieser Form vielleicht gar nicht. Das soll nicht heißen, dass es bei einer einfacheren Lebensweise, in der sich nicht alles um Konsum und Wirtschaftswachstum dreht, keine psychischen Probleme gäbe. Ich denke aber, dass viele Menschen an ihrem inneren Wertesystem vorbei leben und sich den gesellschaftlichen Werten anpassen.

In sofern ist es gut, dass das Thema mentale Gesundheit in den Fokus der breiten Masse gerückt wurde. Vielleicht ergibt sich daraus die Chance zu einem grundlegenden Wandel.

Ich bin überzeugt das mentale Gesundheit, Mindset, Fokus und ein konkreter Plan für den Erfolg und unser Wohlbefinden von immenser Bedeutung ist und diese in den nächsten Jahren noch stark zunehmen wird.

4 Tipps für den Umgang mit Menschen, denen es mental nicht gut geht

Zuhören: Oft hilft es schon, einfach aufmerksam zuzuhören – ohne Lösungen anzubieten. Einfühlsames Nachfragen wie „Ich habe das Gefühl, dass es dir gerade nicht gut geht. Magst du erzählen, was los ist?“ kann einen Raum für offene Gespräche schaffen.

Wer sich unsicher ist, wie man solche Gespräche führen kann, hat selbst auch die Möglichkeit sich beraten zu lassen oder zum Beispiel einen MHFA Ersthelfer Kurs für psychische Gesundheit zu machen!

Da sein (Präsenz) & Stabilität bieten: Keinen Rat geben, sondern zuhören. Ermutigen Bedürfnisse zu erspüren und Gefühle zu erkunden. Meist brauchen Menschen keine Tipps, sondern signalisieren, Du bist nicht alleine. Gemeinsame Aktivitäten, zu einem gemeinsamen Spaziergang einladen, raus in die Natur und gemeinsam schweigen, eine regelmäßige WhatsApp Nachricht oder einfach ein offenes Ohr können sehr viel bewirken.

„Härte“ und Menschlichkeit – wir brauchen beides: Klarheit und Leistung, aber auch Verständnis und Empathie füreinander. Was mich zunehmend ratlos macht, ist der oft harte und ruppige Umgang miteinander – und wie wenig Bereitschaft es gibt, gemeinsam nach passenden Lösungen zu suchen. Das raubt mir persönlich wahnsinnig viel Energie.

Unterstützung anbieten – aber nicht aufzwingen: Falls professionelle Hilfe sinnvoll erscheint, kann man vorsichtig darauf hinweisen, aber ohne Druck. Ein Satz wie „Vielleicht könnte es helfen, mal mit jemandem darüber zu sprechen.“ ist oft hilfreicher als ein „Du solltest unbedingt zum Therapeuten gehen!“

Wenn der Verdacht im Raum steht, dass es sich tatsächlich schon um ein behandlungsbedürftiges psychisches Gesundheitsproblem handelt – dann gehört es in professionelle Hände. Wenn jemand mental belastet ist, das ganze aber nicht pathologisch ist, ist es ebenfalls wichtig, dem Gesundheitsthema Aufmerksamkeit zu schenken. Dann sind wir im besten Fall in einem Bereich, in dem zum Beispiel Präventions- oder Coaching Angebote ausreichen können.

Wichtig: Falls es Anzeichen für eine akute Krise gibt (z. B. Suizidgedanken), ist es wichtig, nicht zu zögern und professionelle Hilfe einzubeziehen – gemeinsam mit der Person oder, wenn nötig, auch gegen ihren Widerstand.

Antje Heimsoeth - Buch - Mentale GesundheitBuchtipp
Ängste, Hilflosigkeit, Wut, Ärger und Frustration sind keine neuen Phänomene. Was neu ist, sind die extremen Umstände, denen wir ausgesetzt sind. Oft sind sich Menschen gar nicht bewusst, dass sie Gefahr laufen auszubrennen: „Das dauert nur bis Projekt XY abgeschlossen, die Urlaubszeit vorüber, … ist.“ Der Grat ist schmal. Aktives Hinhören in der Familie, im Freundeskreis oder unter Kollegen ist hilfreich. Ebenso Führungskräfte, die empathisch sind, die nicht bagatellisieren und Floskeln nutzen, wenn ein Mitarbeitender Sorgen oder Probleme hat. Unternehmen, die jeden Menschen ernst nehmen und alles tun, um das Arbeitsumfeld zu verbessern. Einfache Übungen zur Anwendung im Alltag für sich selbst und andere, zahlreiche Hintergrund-Informationen und Geschichten aus der Praxis liefert das neue Buch „Mentale Gesundheit. Wie wir entspannt unsere Leistungsfähigkeit erhalten“ (ISBN: ‎978-3406796869), 144 Seiten, 11,50 Euro

Antje HeimsoethAntje Heimsoeth ist eine der bekanntesten Business- und Mental-Coaches im deutschsprachigen Raum. Sie ist „Deutschlands renommierteste Motivationstrainerin“ (FOCUS), „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und 2021 und Expertin für die Themen mentale und emotionale Stärke, Mentale Gesundheit, Stressmanagement & Resilienz, Positive Leadership und Selbstführung. Ihr Know-how beruht auf Praxiserfahrungen, die durch wissenschaftliche Impulse stets untermauert werden. Mit ihren Büchern und Vorträgen hat Sie über 850.000 Menschen erreicht.
2019 wurde sie zum Senat der Wirtschaft berufen.
www.antje-heimsoeth.com/www.heimsoeth-academy.com

Seminare, Webinare und Ausbildung zum Thema:
1. Webinar Resilienz kompakt! Wie lässt sich die Krise in Kraft transformieren
2. Webinar Weniger Stress – mehr mentale Stärke
3. Vortrag Gesundes Führen
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5. Ausbildung zum Stress – und Resilienz Coach
6. Seminar Effektive Selbstführung – sich selbst und andere führen
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Ich freue mich auf Sie!

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