Er gilt als Klischee, doch er sorgt regelmäßig in Büros und außerhalb davon für dicke Luft: der Zickenkrieg. Wenn Frauen mit anderen Frauen interagieren, kommt es häufiger zu Konflikten als in der Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen. Mehr noch: Beim beruflichen Vorankommen stehen sich Frauen sogar gegenseitig im Weg. Umfragen haben gezeigt, dass nur jede fünfte Frau lieber eine Geschlechtsgenossin als Chefin hätte. Warum? Weil Frauen es schwerer haben, sich bei einer weiblichen Vorgesetzten zu behaupten. Statt in ihr eine Mentorin zu finden, finden sie sich häufig in Machtspielen wieder: Vorschläge werden ignoriert, Ideen boykottiert, der Erwartungsdruck steigt. Oft bleibt das Selbstbewusstsein ambitionierter Mitarbeiterinnen dann auf der Strecke. Die Selbstzweifel hingegen wachsen. Auch unter Kolleginnen wird wenig gegönnt, sondern gerne gelästert. 75 Prozent der befragten Managerinnen einer Umfrage der German Consulting Group unter weiblichen Führungskräften gaben an, von Kolleginnen derselben Hierarchiestufe auf dem Weg zum Erfolg behindert zu werden. Droht eine Frau andere zu überrunden, suchen diese mitunter nach Schwachstellen und Makeln oder beginnen, die Frau sozial auszugrenzen. Die berühmte Stutenbissigkeit hat kein sprachliches Pendant, weil dieses Phänomen ein zutiefst weibliches ist.
Frauen gönnen Frauen den Erfolg nur ungern
Tatsächlich bin ich in meiner Karriere als Speakerin in einem männlich dominierten Umfeld noch nie von einem männlichen Kollegen als Mensch diskriminiert worden (wohl sachlich kritisiert worden). Es waren stets die Frauen. Der Psychologe Rosario Zurriaga sagt: „Frauen mit vielen weiblichen Konkurrenten sind missgünstiger, wenn die Konkurrenz attraktiver, einflussreicher und dominanter ist. Bei männlichen Rivalen gibt es Charakteristiken wie Neid oder Missgunst nicht untereinander. (…) Diese Emotionen können Stress auslösen und negative Effekte auf die Qualität des Arbeitslebens haben.“ (Buunk et al., 2012). Wir Frauen blockieren uns selbst und andere. Stutenbissigkeit ist eine jener weiblichen Stolperfallen, die das Vorwärtsstreben von Frauen an die Spitze behindert und lähmt. Nicht nur, dass wir Frauen uns mit unserer Stutenbissigkeit gegenseitig torpedieren – wir verschwenden damit zudem unsere Energie und sabotieren die eigene Leistungsfähigkeit. Neid nagt an unserem Selbstwertgefühl, am Selbstvertrauen und an der Zufriedenheit.
Frauen können keinen offenen Kampf
Uns Frauen fehlt der geübte Umgang mit Konkurrenzsituationen. Mädchen werden bis heute so erzogen, dass sie mitfühlend und fürsorglich sein sollen. Treten sie in den offenen Konkurrenzkampf, werden sie dafür meist gemaßregelt. Unser gesellschaftliches Leitbild sieht empathische, rücksichtsvolle Mädchen und Frauen vor, die anderen helfen sollen statt sie übertrumpfen zu wollen. Die Managementberaterin Gertrud Höhler beschreibt die Auswirkungen dieser Erziehung auf weibliche Karrieren: „Frauen haben ein gestörtes Verhältnis zum Sieg, sie wollen mehr integrieren, aber eine Führungskraft muss auch fähig sein, andere hinter sich zu lassen, ja deutlich zu übertrumpfen.“ Ein offener Kampf unter Frauen gilt als würdelos und peinlich, er kommt einem gesellschaftlichen Tabubruch gleich. Stattdessen wird der Kampf indirekt ausgetragen: durch Lästern, Sticheleien, Anschwärzen, Missachtung oder Ausbooten. Souveränität sieht anders aus.
Frauen stoßen Frauen lieber zurück statt sie mitzuziehen
Es gibt viele Formen der versteckten Stutenbissigkeit. Eine davon ist das Ausbremsen. Als ich für mein neues Buch „Frauenpower. Mentale Stärke für Frauen“ bekannte Frauen aus Politik, Wirtschaft und Sport um ein Interview bat, machte ich folgende Erfahrung: 90 Prozent reagierten gar nicht, acht Prozent sagten schriftlich ab und beim kläglichen Rest kam es teilweise trotz Zusage nicht zum Gespräch. Für ein vorangegangenes Buch, das sich nicht ausschließlich an Frauen richtet, war es hingegen leicht, Männer und auch Frauen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Warum tun sich Frauen so schwer damit, explizit andere Frauen mit ihrem Know-how und ihrer Erfahrung zu unterstützen? Vielleicht, weil sie den Erfolg von vermeintlichen Kontrahentinnen fürchten. Missgunst steuert dann das Handeln. Wer es als Frau bereits an die Spitze geschafft hat, verteidigt leider noch allzu oft seine Pfründe gegen weibliche Konkurrenz statt sich über Gesellschaft zu freuen. Und wer noch auf dem Weg an die Spitze ist, spürt den Druck, die Geschlechtsgenossinnen ausstechen zu müssen, umso mehr. Dabei wäre die Energie, die in der Rivalität untereinander verbraucht wird, viel besser in Kooperation, Respekt, Anerkennung und gegenseitiger Wertschätzung investiert.
Schlüsselkompetenz Nr. 1 für erfolgreiche Frauen: Konfliktfähigkeit
Das Leben ist kein Streichelzoo, keine Frage. Und wo kein Wille zur Kooperation, aber auch kein Weg an der anderen vorbei führt, da gilt es, auch Konflikte austragen zu können. Nicht jeder Konflikt muss um jeden Preis vermieden oder indirekt auf Nebenschauplätzen ausgetragen werden, um sich nicht der Rivalität bezichtigen zu lassen. Offene Konfrontation kann heilsamer sein als heimliches Integrieren oder stilles Mutmaßen. Liebe Frauen, arbeitet an eurer Konfliktfähigkeit. Trennt Sache von der Person. Sportlich, fair und sachlich – das sollten die Grundregeln jeder Auseinandersetzung sein, nicht nur mit euren Geschlechtsgenossinnen. Verzichtet im Gespräch mit eurer vermeintlichen Kontrahentin auf Anschuldigungen und Schuldzuweisungen, sondern schildert eure Perspektive und hört der anderen genau zu. Gegenseitiges Verständnis führt weiter als ungeklärte Missverständnisse oder Fehleinschätzungen.
Schlüsselkompetenz Nr. 2 für erfolgreiche Frauen: Selbstwertgefühl
Akzeptieren wir doch eine Sache von vornherein: Es wird immer eine geben, die schöner, intelligenter oder mächtiger ist als wir selbst. Der Schlüssel zum Selbstvertrauen liegt darin, sich selbst so zu akzeptieren, wie wir sind. Ständiges Vergleichen und Neid führt nur zu Unzufriedenheit und Zweifeln. Besinnt euch auf das, was ihr habt! Wertschätzung und Anerkennung beginnt bei uns selbst. Schätzt eure Leistungen und Erfolge wert, erkennt eure Persönlichkeit an. Wer mit sich im Reinen ist, betrachtet auch andere wohlwollender. Wer hingegen über ein mangelndes Selbstwertgefühl verfügt, neigt dazu, auch andere im Wert herabzusetzen. Hin und wieder lohnt es sich allerdings, das Selbstbild zu überprüfen: Wie seht ihr euch selbst und wie sehen andere euch? Dort, wo die größte Abweichung von Fremd- und Selbstbild herrscht, sollte künftig euer Fokus liegen – und nicht auf euren gefürchteten Kontrahentinnen.
Schlüsselkompetenz Nr. 3 für erfolgreiche Frauen: Toleranz
Der Zickenkrieg kennt viele Schauplätze. Nicht alle liegen im Büro. Manchmal entstehen schon Fronten allein durch die Tatsache, dass eine Frau sich für Kind UND Karriere entscheidet. Wir beklagen die mangelhafte Gleichstellung, die ungerechte Entlohnung und die mangelnde Präsenz von Frauen im Top-Management. Doch solange Frauen und Mütter von ihresgleichen dafür verurteilt werden, wie sie ihre Prioritäten (Familie, Karriere, …) setzen, wird keine Frauenquote dieser Welt die Situation im Management und in den Unternehmen nachhaltig verändern. Daher appelliere ich an die Toleranz der Frauen untereinander. Wenn wir Frauen wirklich nach der Gleichberechtigung in allen Bereichen streben, sollten wir uns auf unsere gemeinsamen Qualitäten jenseits von Neid und Missgunst besinnen – und aus Stutenbissigkeit Frauenpower werden lassen.
Mehr zum Thema: Wege aus der Selbst-Sabotage und den souveränen Umgang mit Hindernissen wie Neid, Vergleichen oder Vorverurteilungen erläutere ich genauer in meinem Buch „Frauenpower. Mentale Stärke für Frauen“ (Springer Gabler, 19,99 Euro). Es ist ein an weiblichen Bedürfnissen ausgerichteter Leitfaden zur persönlichen Weiterentwicklung. Ich blicke hinter die Kulisse erfolgreicher Frauen, lasse Gastautorinnen aus der Wirtschaft und dem Coaching zu Wort kommen und gebe Tipps für ein erfolgreiches Selbstmanagement.
©Ihre Antje Heimsoeth
Verwendete Literatur:
Buunk, Abraham P., Gonzalez, Pilar, Castro-Solano, Alejandro, Zurriaga, Rosario (2012): Studie „Sexueller Wettkampf bei der Arbeit: Geschlechtliche Unterschiede von Neid und Missgunst am Arbeitsplatz“
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