Was sich vom Spitzensport und seinen Führungskräften lernen lässt
„Es hat nicht ganz gereicht, aber das wird uns dazu führen, den nächsten Schritt zu machen“, sagte Martina Voss-Tecklenburg, Trainerin der DFB-Damen, nach dem verlorenen EM-Finale in London. Denn der jüngst erreichte Vize-Europameistertitel ist ein Gewinn für das Frauen-Team, den es nicht kleinzureden gilt. Die Spielerinnen sind zu einer starken Gemeinschaft zusammengewachsen. Das stellte das Team während der EM immer wieder unter Beweis. Und auch nach der finalen Niederlage zeigten Szenen, wie die, als die verletzte Kapitänin Alexandra Popp ihre Mitspielerin Tabea Waßmuth in den Arm nahm und tröstete, wie eng der Zusammenhalt zwischen den DFB-Damen ist. Alexandra Popp sagte während der EM: „Ich bin schon seit zehn Jahren bei der Nationalmannschaft dabei – so einen Teamspirit, so ein Teamgefüge habe ich ganz ehrlich noch nie erlebt.“ (Quelle: Hamburger Abendblatt). Dieser Zusammenhalt ist die Basis für erfolgreiche Zusammenarbeit – was die Qualität des Teambuildings angeht, können auch Wirtschaftskapitäne von den Spitzensportlerinnen noch lernen. Martina Voss-Tecklenburg und die deutsche Frauenmannschaft haben eindrucksvoll demonstriert, wie modernes Leadership funktioniert. Sie sind zudem Rolemodels: für ihren Sport, Professionalität, Teamgeist und Fairplay, Diversität und Chancengleichheit.
Für eine herausragende Performance zählt, wie stark die Gemeinschaft ist und nicht Einzelne
Die Führungskräfte im Spitzensport, ob im Männer- oder Frauensport, wissen genau, wie viel vom guten Zusammenspiel eines Teams abhängt. So sagt Fußballtrainer Louis van Gaal, im Team müsse man voneinander wissen, was man kann und was man nicht kann. Es gelte, die Qualitäten des anderen zu entdecken. Van Gaal: „So entsteht von selbst ein gutes Verhältnis zwischen den Beteiligten, und das ist die Grundlage für den Erfolg. Alle Spieler müssen lernen, im Interesse der Mannschaft zu denken. Durch Disziplin und ständige Kommunikation untereinander kommt man von selbst zum Teambuilding.“
Was am Ende zählt, ist nicht, wie gut jeder einzelne Mitarbeitende ist, sondern wie stark die Gemeinschaft funktioniert. Den Boden dafür bereitet die Führungskraft. Teambuilding ist ein fortwährender Prozess und nicht allein das Produkt jährlicher Teamevents wie zum Beispiel der Besuch eines Klettergartens oder eine gemeinsame Floßfahrt. Es geht vielmehr um dauerhaftes Commitment im Dienste gemeinsamer Zielerreichungen. Gemeinsam an einem Strang zu ziehen – im Denken wie im Handeln – bedeutet, persönliche Befindlichkeiten zurückzustellen, den eigenen Anteil im Kontext zu den anderen zu sehen, sich über den Erfolg des Kollegen oder der Kollegin genauso zu freuen wie über den eigenen, aus der Zusammenarbeit Motivation zu schöpfen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu vertrauen statt zu konkurrieren. Dieses Bewusstsein gilt es, bei jedem Mitarbeitenden zu schaffen.
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Viele Wege führen zum Teambuilding – wichtig sind Freude und Verbundenheit
Keine Frage, es schweißt ein Team zusammen, wenn es Gelegenheit hat, abseits der Arbeit gemeinsam neue Erfahrungen zu machen, die per se gute Zusammenarbeit voraussetzen. Trainer Jürgen Klopp ließ einst die Spieler von Borussia Dortmund sich über 40 Meter hohe Felswände abseilen, Schalke-Trainer David Wagner schickt seine Spieler zum Survival-Trip nach Schweden. Gemeinsam bestrittene Herausforderungen, die nach gegenseitiger Unterstützung verlangen, verbinden, man lernt sich anders kennen. Manchmal dient auch ein Blick hinter die Kulissen, um deutlich zu machen, dass jeder im Team eine wichtige Aufgabe hat, sei sie groß oder klein, und man sich gegenseitig aufeinander verlassen muss, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Als die DFB-Herren ihren Sponsor Volkswagen zur Werksbesichtigung in Wolfsburg besuchten, stellte Torwart Manuel Neuer fest: „Jeder ist vom Teamkollegen abhängig, sowohl auf dem Spielfeld als auch hier im Werk.“ Und sein Teamkollege Serge Gnabry machte klar: „Wenn das Team nicht gut zusammenarbeitet, dann ist irgendwo ein Loch. Dann kommt am Ende kein gutes Auto oder eben bei uns kein gutes Spiel heraus.“ (Quelle: sport.de).
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Zum erfolgreichen Teambuilding gehört der Raum für Spaß und Freude. Das kann zum Beispiel ein Karaokeabend oder der Wettstreit in lustigen Disziplinen wie Gummistiefel-Weitwurf sein. Ob Bayern München oder die Nationalmannschaft, die Liste an Beispielen für solche Maßnahmen ist lang und vielseitig. Agiert ein Team als stimmiges Gefüge, dann ist die Freude am Tun sozusagen implementiert. Junge Spielerinnen wie Lena Oberdorf von den DFB-Damen sagen: „Wenn man eines über uns junge Spielerinnen sagen kann, dann ist es, dass wir nur spielen wollen, dass wir nur Spaß wollen.“ Als Führungskraft gilt es, diese Motivation zu nutzen und solche Freude aufrechtzuerhalten. Sie ist der Motor eines guten Teams.
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Mitarbeitende befinden sich in Wechselwirkung zueinander und zur Führungskraft
Das Team wiegt schwerer als einzelne Mitarbeitende. Aber jeder Mitarbeitende braucht das Gefühl, wichtig für das Team zu sein. Wird er seinen Stärken entsprechend eingesetzt, kann er sich voll einbringen. Denn egal, was er tut – es hat Relevanz für die Gesamtleistung. Begeht er einen Fehler, kann das zur Niederlage der Mannschaft führen. Leistet er Herausragendes, beschert er ihr den Sieg. Das gilt auf dem Rasen ebenso wie jenseits davon. Spieler:innen wie Mitarbeitende befinden sich in einer permanenten Wechselwirkung zueinander und zur Führungskraft respektive zum Trainer/zur Trainerin. Der Teamgeist ist hier entscheidend. Denn wenn jede(r) begreift, dass er oder sie durch die eigene Spitzenleistung zum Gesamterfolg beiträgt, dann motiviert und beflügelt das. Es weckt den Wunsch nach Mitwirkung und Weiterentwicklung. Lasse ich hingegen den Kollegen oder die Kollegin hängen, wenn meine Unterstützung gebraucht wird, um Schwächen bloßzustellen oder meine eigene Überlegenheit zu demonstrieren, dann schade ich der Performance der gesamten Abteilung.
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Damit das Geben und Nehmen reibungslos funktioniert, braucht es gute Kommunikation. Und das im wahrsten Sinne des Wortes – sie sollte nicht nur aus klaren Anweisungen, Absprachen, Erklärungen oder Austausch bestehen, sondern auch positiv sein, d. h. gute Leistungen würdigen und sich nicht allein auf Defizite fokussieren. Auch von Kollege zu Kollege. Im Fußball lässt sich immer wieder beobachten, wie Spieler:innen auf dem Rasen, aber auch von der Seitenlinie aus ihren Mitspielenden nach einer gelungenen Aktion lobend auf die Schulter klopfen oder klatschen. Auf diese Weise gewinnt jeder im Team das Gefühl, dass die eigene Spitzenperformance gesehen wird. Diese Kultur zu etablieren, ist Aufgabe der Führungskraft. Genauso wie eine konstruktiv-lösungsorientierte Feedbackkultur. Hier geht es ebenso um Wertschätzung wie um Perspektivwechsel, die helfen, die eigene Wahrnehmung zu relativieren und neue Sichtweisen hinzuzugewinnen, Impulse für die Weiterentwicklung zu bekommen. DFB-Damentrainerin Martina Voss-Tecklenburg sagt, man müsse konstruktiv und klar bleiben, auch wenn es mal nicht laufe. Der Dialog mit Spielerinnen begänne mit der Frage: Wie ist deine Perspektive? (Quelle: Sportbuzzer). Solche Kultur verlangt jedoch nach Vertrauen und Respekt, den Boden dafür bereitet auch hier die Führungskraft.
Für das Zugehörigkeitsgefühl braucht es die individuelle Wahrnehmung jedes Teammitglieds
Ob als Trainer:in oder Abteilungsleiter:in, es gehört zu den Schlüsselfaktoren für den Erfolg als Führungskraft, jeden im Team zu sehen und wahrzunehmen – vom Busfahrer, Koch und Physiotherapeuten bis hin zu jedem Spieler, vom Praktikanten über die Sekretärin bis hin zum Fachexperten. Wir Menschen sehnen uns nach Anerkennung und Zugehörigkeit, wir wollen mit unseren Bedürfnissen wahrgenommen werden. Pep Guardiola, einer der besten Fußballtrainer der Welt, sagt zum entscheidenden Wir-Gefühl im Team: „Das Gefühl, erwünscht zu sein und gebraucht zu werden, ist das Wichtigste in unserem Leben. Das gilt für die Menschen um uns herum ebenso wie für einen Club. Sie sollen dir zeigen, dass sie dich wollen, und du brauchst die Vorstellung, dass du dort Spaß haben wirst“ (Guardiola, 2013). Guardiola beschreibt hier treffend eines der menschlichen Grundbedürfnisse, das für die Motivation – sowohl des Einzelnen auch des ganzen Teams – eine entscheidende Rolle spielt. Guardiola spricht mit seinen Spielern auch abseits des Platzes: „Als Trainer muss man wissen, was jeder Spieler braucht, jeder individuelle Charakter. Das macht einen guten Trainer aus.“ Und das findet man als Führungskraft nur in persönlichen Gesprächen heraus, nicht am Schreibtisch. Als ein Spieler in der Krise steckte, ging er mit ihm einen Kaffee trinken und sprach mit ihm über alles, nur nicht Fußball. Im nächsten Spiel schoss der Spieler zwei Tore. Guardiola: „Er hat sich besser gefühlt, weil er wusste, dass ich auf ihn baue.“
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Viele Menschen, ob Spieler oder Mitarbeitender, haben in der bewegten, unsicheren Zeit, in der wir leben, Ängste. Die aktuellen Krisen schüren Sorge und Befürchtungen. Als Führungskraft gilt es, die Beweggründe herrschender Angst bei Mitarbeitenden auszuloten, um zu erfahren, wie und wo das Unternehmen den Mitarbeitenden unterstützen bzw. entlasten kann. Bagatellisieren oder mit Floskeln um sich zu werfen, hilft hier nicht. Mitarbeitende wollen sich mit ihren Sorgen ernst genommen fühlen und brauchen Orientierung. Empathie ist ein unverzichtbarer Soft Skill für erfolgreiche Führungskräfte. Das weiß auch Erfolgstrainer Jürgen Klopp, dessen verstorbener Mentor Walter Baur ihm einst das Zusammenspiel von Einfühlungsvermögen und Strenge vorlebte. Klopp entfachte als Trainer beim FC Liverpool einen neuen Mannschaftsgeist, der das Miteinander in den Mittelpunkt stellte. „Es geht darum, sich gegenseitig zu helfen, egal ob mit oder ohne Ball. Uneigennützig sein, das ist es, was der Trainer von uns verlangt“, sagte Spieler Lallana bereits 2015 kurz nach Klopps Auftakt in Liverpool (Quelle: srf.ch).
Eine Führungskraft hat es in der Hand, Respekt und Teamfähigkeit zu fördern. Als Jürgen Klopp nach dem Sieg gegen Barcelona Arm in Arm mit seinem verletzten Spieler Salah, der plakativ den Spruch „Never give up“ auf seinem T-Shirt getragen und damit seinen Teamkollegen von der Tribüne aus Mut gemacht hatte, und Virgil van Dijk vor „The Kop“ trat – die Tribüne der treuesten Anhänger – sang er gemeinsam mit Publikum und Mannschaft jene Hymne, die den Spirit auf den Punkt bringt: You`ll never walk alone. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gutes Gelingen dabei, den Zusammenhalt im Team zu fördern und gemeinsam die Früchte zu ernten!
© Ihre Antje Heimsoeth
Über die Autorin: Antje Heimsoeth
Ihre berufliche Laufbahn begann Sie als Geodätin. Heute gehört Sie als Expertin für Mentale Stärke, Motivation, Leadership, Veränderung, Selbstführung und Spitzenleistungen und neunfache Buchautorin zu den bekanntesten Mental Coaches im deutschsprachigen Raum. Sie wurde als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und 2021 ausgezeichnet. Bei Managern und Medien gilt sie als „renommierteste Motivationstrainerin Deutschlands“ (FOCUS). Weltweit tätig.
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