Es ist sehr schade, dass wir in unserer deutschen Kultur generell so eine große Angst vor Fehlern und damit verbundener Schuldzuweisung haben. Das fängt ja schon in der Schule an, dass Fehler als „ich bin nicht gut genug“ interpretiert werden anstatt sie als unabdingbaren Faktor für Weiterentwicklung zu sehen.
In unsicheren Teams herrscht oft Schweigen, Rechtfertigung oder Schuldzuweisung, Fehler werden gedeckelt, statt genutzt. Viele Mitarbeiter haben in unsicheren Teams innerlich schon gekündigt und Menschen in sicheren Teams haben viel mehr Lust und Erfolg darin, sich einzubringen. In sicheren Teams dagegen sind Fehler Startpunkte für Weiterentwicklung.. und genau das macht sie langfristig erfolgreicher.
Psychologische Sicherheit: Das meist unterschätzte Führungstool, ein Gamechanger für Unternehmen
Psychologische Sicherheit ist eines der am besten belegten Teamkonstrukte und es macht wahnsinnig viel Sinn, diese auf allen Ebenen zu fördern.
Psychologische Sicherheit beschreibt die Überzeugung von Teammitgliedern, dass sie ohne negative Folgen Ideen, Fragen, Meinungen und Bedenken äußern, Fehler zugeben und ihre Verletzlichkeit zeigen können. Es ist ein Zustand, in dem sich Menschen sicher genug fühlen, um Risiken einzugehen und offen zu kommunizieren, ohne Angst vor Bestrafung oder Demütigung zu haben.
„Psychologische Sicherheit beschreibt die Überzeugung, dass das Arbeitsumfeld vor zwischenmenschlichen Risiken sicher ist.“ Wenn Menschen sich trauen, ihre Meinung zu teilen und Fehler zuzugeben hat das direkten Einfluss auf die Performance des Teams. Und doch: In vielen Teams ist das Konzept bis heute nicht bekannt, die angstfreie Organisation bleibt häufig ein Idealbild.
Amy Edmondson erklärt, warum Kompetenz überschätzt wird. Und worauf es wirklich ankommt.
Das liege jedoch meist nicht daran, dass Chefs ihren Mitarbeitenden den Mund verbieten oder sie bewusst verunsicherten, sagt Edmondson im Gespräch. „Es ist vielmehr Teil der menschlichen Natur, Angst vor Fehlern zu haben. Wir wollen lieber mit allen in einer Gruppe übereinstimmen, anstatt offen zu widersprechen“, so die Harvard-Professorin. Führungskräfte müssten daher bewusst auf die Sicherheit im Team einzahlen – und daran arbeiten, eine Kultur zu schaffen, in der sich Menschen angstfrei äußern und angstfrei handeln.“ (Harvard Business Manager (2023))
Die US-amerikanische Professorin Amy Edmondson begründet das so:
Teams, die sich sicher fühlen,
- bitten aktiv um offenes und ehrliches Feedback
- sprechen offener über Fehler und analysieren sie gemeinsam
- bringen sich mit ihrer Meinung ein
- bitten um Unterstützung – die eigenen Skills und Kenntnisse werden nicht in Frage gestellt.
Das gesamte Team lernt von den Fehlern seiner Mitglieder und wird dadurch immer besser.
Psychologische Sicherheit zeigt sich häufig darin
… ob Teammitglieder sich trauen, eine Idee zu äußern, die neu, anders, ungewohnt ist,
… sich zu beteiligen, während alle anderen schweigen,
… eine konträre Meinung zu vertreten, obwohl scheinbar Konsens herrscht,
… eine Frage zu stellen, obwohl sie fürchten, die Antwort könnte für alle anderen klar sein.
Bei einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg landete Deutschland in puncto positive Fehlerkultur auf dem 60. Platz schnitt schlechter ab.
Wie wichtig psychologische Sicherheit ist, zeigt sich besonders in kritischen Bereichen, wie etwa im OP. Wer hier zulässt, dass Fehler verschwiegen werden riskiert die Patientengesundheit. Effektive Trainings für psychologische Sicherheit, u.a. auch in ständig wechselnder Teamzusammensetzung bietet eine bekannte Fluggesellschaft.
Grundsätzlich brauchen wir psychologische Sicherheit aber quer durch alle Branchen. Sie ist, meiner Meinung nach, ein wichtiger Faktor für Wachstum und Weiterentwicklung.
Warum ist psychologische Sicherheit so wichtig?
Offene Kommunikation: Äußerungen ohne Angst vor Bestrafung oder Demütigung.
Einfluß auf die Leistung, Leistungssteigerung: Wer sich sicher fühlt, ist aktiv und geht Risiken ein.
Fehlertoleranz: Fehler werden als Lernchance gesehen.
Zusammenhalt: Psychologische Sicherheit fördert Vertrauen und Zusammenarbeit.
Tipps für Psychologische Sicherheit
Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle. Wer zuhört, Feedback einholt, Fehler teilt und Verletzlichkeit zeigt, schafft Vertrauen. Als Führungskraft braucht es Mut, selbst erste Schritte zu tun! Wer als Führungskraft offen über Unsicherheiten spricht, Fehler eingesteht oder aktiv um Feedback bittet, signalisiert: Hier darf ich Mensch sein. Erst dadurch entsteht ein Raum, in dem auch andere sich trauen, sich einzubringen – echt, kreativ und ohne Angst. Psychologische Sicherheit beginnt nicht mit Konzepten, sondern mit Haltung.
Hier erfahren Sie, wie Sie echte psychologische Sicherheit aufbauen können:
- Zuhören, um zu verstehen, nicht zu antworten
Konzentrieren Sie sich voll und ganz auf das, was gesagt wird, ohne zu unterbrechen
Weiterlesen: Warum Aktives Zuhören ein entscheidendes Führungsinstrument ist
- Seien Sie offen für unterschiedliche Meinungen
Fragen Sie: „Wie sehen Sie das anders?“, „Was sehe ich hier vielleicht noch nicht?“
- Normalisieren Sie gesunde Meinungsverschiedenheiten
„Meinungsverschiedenheiten helfen uns zu wachsen“
Bleiben Sie dabei ruhig und neugierig, nicht defensiv.
- Reagieren Sie auf Fehler mit Lernen, nicht mit Schuldzuweisungen
Fragen Sie: „Was ist die Lektion für uns alle?“
Weiterlesen: Fehlerkultur: Fail for Future – Warum die Entwicklung einer modernen Fehlerkultur für Unternehmen von großer Bedeutung ist
- Zeigen Sie Verletzlichkeit
Teilen Sie Ihre Zweifel offen mit – „Hier stecke ich fest – irgendwelche Ideen?“
- Schaffen Sie emotionale Sicherheit
Machen Sie deutlich: „Hier gelten alle Gefühle und Emotionen.“
- Holen Sie aktiv Feedback ein. Fördern Sie offenes Feedback – in beide Richtungen
Ihre kommunikativen Fähigkeiten und Empathie sind hier ebenso gefragt wie personale Kompetenzen und ein Bewusstsein für Ursache und Wirkung im Feedbackgespräch.
Fragen Sie: „Was kann ich anders machen, um Ihnen zum Erfolg zu verhelfen?“
Zeigen Sie Dankbarkeit für ehrliches Feedback.
Weiterlesen: Feedback geben: Feedback ist das Futter für Fortschritt
- Offene W-Fragen stellen und zuhören
Stellen Sie offene W-Fragen, geben Sie Raum für Antworten – und unterbrechen Sie nicht.
- Vertrauen aufbauen und pflegen
Vertrauen ist das Fundament einer positiven Führung. Sie müssen lernen, wie Sie Ihre Mitarbeiter dazu bringen, Ihnen zu vertrauen.
Weiterlesen: Wege, wie Führungskräfte Vertrauen verdienen können
Vertrauen ist die Grundlage für alles, was wir tun
Ohne Vertrauen kein Erfolg. Es ist unsere Aufgabe, an der Wiederherstellung von Vertrauen zu arbeiten. Uns gemeinsam darum zu bemühen, dass wir vertrauen – uns selbst und anderen Menschen wie auch Systemen und Institutionen. Deshalb ist das Ziel meines Buches auch, wieder viel Vertrauen in allen Beziehungen – beruflich und privat – aufbauen bzw. wiedergewinnen zu können. Es lohnt sich für uns alle! Für jeden einzelnen Menschen ebenso wie für unsere Gemeinschaft, für uns als Familien und als Freunde, für uns als Lebens- und als Geschäftspartner, für Chefs und für Führungskräfte, für Mitarbeiter und für Kollegen – und nicht zuletzt für die nächsten Generationen, denen wir mit täglich gelebtem Vertrauen eine wertvolle Basis vermitteln, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Lesen Sie mehr zum Thema Vertrauen in meinem Buch „Vertrauen entscheidet. Die vergessene Basis der Führung
5 konkrete Ansätze für Psychologische Sicherheit
1. Retrospektiven: Raum für ehrliche Reflexion
2. „Fail Forward“-Meetings: Fehler als Lernquelle nutzen
3. Feedback üben
4. Redeanteile ausgleichen: Jede Stimme und Meinung zählt
5. Experimentierräume schaffen: Vertrauen ins Neue stärken
Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen. Es geht darum anzufangen – und dranzubleiben.
Denn: Psychologische Sicherheit entsteht nicht durch einen einmaligen Workshop, sondern durch gelebte Haltung – Tag für Tag. Wenn Wertschätzung, echtes Interesse und Offenheit spürbar sind, entfalten einfache Methoden oft eine erstaunliche Tiefe. Es ist diese Verbindung aus Haltung und Handlung, die Veränderung wirklich trägt und Vertrauen entstehen lässt.
Viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg bei der Umsetzung
Ihre © Antje Heimsoeth
Weiterführende Literatur
Carmeli, A., Reiter–Palmon, R., & Ziv, E. (2010). Inclusive leadership and employee involvement in creative tasks in the workplace: The mediating role of psychological safety. Creativity Research Journal, 22(3), 250–260. https://doi.org/10.1080/10400419.2010.504654
Zum Weiterlesen
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Das Team ist der Star – Was wir vom Spitzensport lernen können I Antje Heimsoeth
Vertrauen als Schlüsselfaktor zur Krisenbewältigung
Über die Autorin
Antje Heimsoeth
Ihre berufliche Laufbahn begann Sie als Geodätin. Heute gehört Sie als erfolgreiche Keynote Speakerin mit hunderten von Vorträgen und Expertin für Mentale Stärke, Motivation, Leadership, Erfolg, Selbstführung und Spitzenleistungen und 14-fache Buchautorin zu den bekanntesten, gefragten und einflussreichsten Mental Coaches von Spitzensportlern, Führungspersönlichkeiten, Vorständen, Spitzenmanagern, Unternehmern und Rednern. Bei Managern und Medien gilt sie als „renommierteste Motivationstrainerin Deutschlands“ (FOCUS).


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