Respekt und Wertschätzung sind keine Einbahnstraße

Respekt und Wertschätzung sind keine Einbahnstraße - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

02. Mrz 2020

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Der Aspekt Wertschätzung ist seit Jahren weit oben auf der Wunschliste von Mitarbeitern, wenn es darum geht, was sie von Führungskräften und Unternehmen erwarten. Studien belegen inzwischen sogar die Wirkung dieser Wertschätzung auf die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter. Aber wie können Unternehmen und ihre Führungskräfte diese Wertschätzung zum Ausdruck bringen? Ist es häufiges Loben, die finanzielle Anerkennung besonderer Leistungen, das Einräumen von Privilegien oder die Einladung zum Mittagessen? Was immer von Mitarbeitern als Wertschätzung empfunden wird, es scheint auf dem Weg von der Chefetage zur Basis auf der Strecke zu bleiben, wenn man den Umfragewerten Glauben schenkt.

Wertschätzung heißt, den Wert des anderen zu schätzen

Wer sich als Mitarbeiter wertgeschätzt fühlt, erfährt durch Kollegen und Vorgesetzte eine Würdigung seines Wertes – wie wertvoll die Erledigung seiner Aufgaben ist, wie wertvoll sein Beitrag im Team ist, wie wertvoll sein kritischer Blick oder seine Lösungsansätze bei Problemstellungen sind. Voraussetzung für das Erfahren dieser Würdigung ist ein vorhandenes Zugehörigkeitsgefühl. Entscheidend für das Empfinden von Wertschätzung ist das Gefühl, ein akzeptiertes und unverzichtbares Mitglied des Teams zu sein. Mitarbeiter, denen es daran mangelt, fühlen sich abgelehnt, überflüssig und unzureichend. Es gilt also zunächst, das Zugehörigkeitsgefühl beim Mitarbeiter zu stärken. Zum Beispiel durch einladende Gesten („Kommen Sie bitte mit dazu, ich lege Wert auf Ihre Meinung!“ oder „Sind Sie heute Abend mit dabei, wenn wir essen gehen?“), die Zeit fürs aufmerksame Zuhören, den persönlichen Handschlag und die persönliche Ansprache, die Anerkennung erbrachter Leistungen und Fortschritte, das interessierte Nachfragen und Feedback geben oder die Orientierung an den Stärken des Mitarbeiters. Es gibt viele Wege der Wertschätzung. Ob sie ausgesprochen oder durch Gesten und Handlungen gezeigt werden sollte, hängt vom einzelnen Mitarbeiter ab. Das erfordert ein gutes Einfühlungsvermögen und ein Bewusstsein für sich und andere von Führungskräften. Die innere Haltung desjenigen, von dem Wertschätzung erwartet wird, ist hier von großer Bedeutung. Oberflächliche, pauschal vergebene Wertschätzung bleibt in der Wirkung auch beim Mitarbeiter oberflächlich.

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Die vielbeschworene Erwartung Wertschätzung

Führungskräfte kritisieren, dass Wertschätzung von Mitarbeitern als Einbahnstraße gesehen wird, die nur vom Vorgesetzten zum Mitarbeiter führt. Die Mitarbeiter selbst ließen hingegen in ihrem Verhalten gegenüber anderen Kollegen mitunter wenig Wertschätzung erkennen. Darüber hinaus würden sie Druck gegenüber ihren Vorgesetzten ausüben, indem sie mangelnde Wertschätzung kritisierten. „Sie wissen, dass das Aussprechen von fehlender Wertschätzung mindestens wie eine gelbe Karte im Fußball wirkt.“ (vgl. smart-fuehren.de, 2016). Denn mit dem Vorwurf mangelnder Wertschätzung schwingt mit, es würde dem anderen an Respekt mangeln. Und wer möchte sich das schon gerne vorhalten lassen? Respekt liegt sozusagen der Wertschätzung zugrunde. Eine respektvolle Haltung anderen gegenüber ist die Voraussetzung für wertschätzendes Verhalten und Handeln. Oder andersherum: „Wertschätzung ist eine Grundhaltung des respektvollen Annehmens – sich selbst und Anderen gegenüber. Man bezieht ein und grenzt nicht aus, man nimmt die eigenen Bedürfnisse und die des anderen an. Wertschätzung schafft eine Kultur der Begegnung, in der die Fähigkeiten und Fertigkeiten aller Beteiligten wahrgenommen und gebraucht werden.“ (Quelle: werteundwandel.de). Es geht beim Thema Wertschätzung um Aspekte wie Augenhöhe, Achtsamkeit, Dankbarkeit, Wahrnehmung und Rücksicht, um nur einige zu nennen. Wertschätzung beginnt mit einem Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse, einem guten Selbstmanagement und einer respektvollen Grundhaltung, nicht nur Anderen, sondern auch sich selbst gegenüber – und führt dann im nächsten Schritt zu einem entsprechenden Umgang mit Anderen.

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Andere zu respektieren bedeutet sie in ihrem Wert anzuerkennen

In vielen Firmenleitbildern findet sich heute das Wort Respekt. So spricht die Rewe-Gruppe von Grundwerten, zu denen es gehört, „einander offen, mit Vertrauen und Respekt“ zu begegnen. Der Automobilhersteller Audi zählt Wertschätzung sogar zum Kern des Führungsleitbildes und proklamiert: „Wir begegnen Anderen wertschätzend und respektvoll.“ Doch was verbindet jeder Einzelne im Unternehmen damit? Und wie werden Wertschätzung und Respekt im Arbeitsalltag umgesetzt? Die deutsche Post DHL hat bereits festgestellt, dass die Fehlzeiten weniger und die Mitarbeiter produktiver werden, wenn Respekt im Unternehmen kultiviert wird (vgl. Borbonus, 2019). Doch dazu gehört, zu verstehen, was Respekt bedeutet.

Hergeleitet vom lateinischen „respecto“ bedeutet Respekt Rückschau oder Einschätzung im Sinne einer Beurteilung, im Französischen bedeutet „respect“ Hochachtung. Es geht um die „anerkennende Berücksichtigung des Wertes“ von einem Menschen, einer Gruppe oder Institution (vgl. Haller, 2019). Mit anderen Worten: Es bedeutet, andere in ihrem Wert zu sehen. „Der Modus der Wahrnehmung, des Verstehens und Begreifens der Person, die man respektiert, kann entsprechend als ein Modus der Beachtung beschrieben werden.“ (Dillon, 2003). Jemanden zu respektieren heißt nichts anderes als ihn (an)zu erkennen. Ihn bewusst wahrzunehmen, seine Persönlichkeit und sein Handeln zu registrieren. Eine fachübergreifende Forschungsgruppe der Uni Hamburg aus den Bereichen Psychologie, BWL, Philosophie und Soziologie definiert es so: „Eine Person, die respektiert, handelt auf solche Weise, dass beim Gegenüber über Resonanz das Gefühl entsteht, in seiner Bedeutung oder seinem Wert (an)erkannt zu sein.“ Respekt beinhalte eine Wertschätzung des Gegenübers, welche über das eigene Verhalten kommuniziert werde (vgl. Spears, Ellemers und Doosje, 2005).

Wo Respekt zum guten Ton gehört, ist Wertschätzung eine natürliche Folge

Sich gegenseitig diese Anerkennung in Unternehmen auf allen Ebenen entgegenzubringen, von Kollege zu Kollege, von Mitarbeiter zu Vorgesetzten und von Vorgesetzten zu Mitarbeitern, ist ein wichtiger Bestandteil einer förderlichen Unternehmenskultur. Wo Respekt zum guten Ton des Miteinanders gehört, ist Wertschätzung eine natürliche Folge und muss von niemandem eingeklagt werden. Respekt beginnt in der Kommunikation und setzt sich im Verhalten und Handeln fort. Wenn Unternehmen konsequent auf einen respektvollen Umgang mit und in der Belegschaft achten, dann erzeugt dies auch nachhaltig respektvolle Umgangsformen, schlicht nach dem Resonanzprinzip. René Borbonus, einer der bekanntesten Redner Deutschlands, sagt: „Je schneller Kommunikation ist, desto leichter schleichen sich Respektlosigkeiten ein. Da hilft es, Achtsamkeit zu entwickeln: bewusst über die eigene Kommunikation nachzudenken und auch übers Reden zu reden. Das sensibilisiert uns dafür, dass wir manchmal unabsichtlich respektlos sind.“ (bwgv.de, 2019). Und diese Achtsamkeit bewahrt Menschen in Unternehmen davor, es unbewusst an Wertschätzung mangeln zu lassen. Für Borbonus gibt es im Alltag zwei Herausforderungen im Umgang mit Respektlosigkeit: Die eine bestehe darin, gelassen zu bleiben, wenn wir respektlos behandelt werden. Die andere bestehe in der Unterscheidung zwischen Haltung und Technik. Borbonus: „Man kann zum Beispiel Respektlosigkeiten auch ansprechen, ohne dabei gleich verbrannte Erde zu hinterlassen. Wenn ich damit anfange, Respekt in die Kommunikation zu bringen, werde ich ihn in den meisten Fällen auch zurückbekommen, denn Menschen spiegeln einander.“ (Quelle: mariocristiano.de).

Die Wissenschaft unterscheidet zwischen vertikalem Respekt, der sich durch Leistung verdienen lässt, und horizontalem Respekt, der voraussetzt, dass wir alle Menschen grundsätzlich als gleichwertig betrachten. Letzterer setzt also bei der inneren Haltung an. Und hier kommt den Führungskräften in Unternehmen eine entscheidende Rolle zu: Wie steht es um ihre eigene innere Haltung? Wie bewerten sie andere tatsächlich? Je respektvoller das Führungsverhalten von Vorgesetzten ist, desto mehr können sich Respekt und Wertschätzung auch in der Unternehmenskultur durchsetzen. Und davon profitieren Unternehmen erheblich: Wenn Mitarbeiter respektiert werden, fühlen sie sich stärker ans Unternehmen gebunden, sind zufriedener und motivierter. Das führt zu weniger Fluktuation und besseren Arbeitsergebnissen. Und zu einem gesunden Arbeitsklima. Lauter gute Gründe, mehr Respekt walten zu lassen, finden Sie nicht?

Ihre © Antje Heimsoeth

Verwendete Quellen

Smart-fuehren.de, „Warum das Wort „Wertschätzung“ bei Führungskräften immer häufiger zum Unwort wird“, veröffentlicht von Stefanie Meise am 14. Oktober 2016.

Werteundwandel.de, „Wertschätzung ist Respekt“, von Marcel Klotz.

René Borbonus, „Worte bringen gute Ziele zum Sieg“, in: Uli Funke, „Dem Erfolg auf der Spur“, tredition, Hamburg.

Bgwv.de, Geno Graph, „Wenn Respekt im Unternehmen ein zentraler Wert ist, arbeiten Menschen motivierter“, Interview mit René Borbonus, 17.6.2019

Dillon, R. S. (2003). Respect. The Stanford Encyclopedia of Philosophy Fall 2003 Edition. Retrieved October 05, 2004, from http://plato.stanford.edu/archives/fall2003/entries/respect/

Reinhard Haller, „Das Wunder der Wertschätzung: Wie wir andere stark machen und dabei selbst stärker werden“, Gräfe und Unzer, München 2019, S. 63.

Respectresearchgroup.org/respekt/definition

Spears, R., Ellemers, N., & Doosje, B. (2005), „Let me count the ways in which I respect thee: Does competence compensate or compromise lack of liking from the group?“ European Journal of Social Psychology, 35(2), 263-279.

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Über die Autorin:
Antje Heimsoeth

Ihre berufliche Laufbahn begann Sie als Geodätin. Heute gehört Sie als Expertin für Mentale Stärke, Motivation, Leadership, Veränderung, Selbstführung und Spitzenleistungen und neunfache Buchautorin zu den bekanntesten Mental Coaches im deutschsprachigen Raum. Sie wurde als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ ausgezeichnet. Bei Managern und Medien gilt sie als „renommierteste Motivationstrainerin Deutschlands“ (FOCUS).  Weltweit tätig. Buch zum Thema: „Kopf gewinnt! Der Weg zu mentaler und emotionaler Führungsstärke“. Springer Gabler.
Infos unter  www.heimsoeth-academy.com, www.antje-heimsoeth.com

1 Kommentar

  1. Der Artikel bringt das Thema auf den Punkt. In vielen UN ist Wertschätzung immer noch ein Fremdwort. Dabei entstehen bei der „Anwendung“ keine Kosten, allerdings können bei „richtiger Anwendung“ erhebliche Vorteile für das jeweilige UN entstehen. Was ein wertgeschätzter Mitarbeiter-/in an Ideen und Leistung bringen kann, haben wir bestimmt alle schon erlebet!

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