Fehlerkultur: Fail for Future – Warum die Entwicklung einer modernen Fehlerkultur für Unternehmen von großer Bedeutung ist

Warum die Entwicklung einer modernen Fehlerkultur für Unternehmen von großer Bedeutung ist

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

05. Jun 2019

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Warum die Entwicklung einer modernen Fehlerkultur für Unternehmen von großer Bedeutung ist

Scheitern ist für die meisten Menschen unangenehm. Sie empfinden es als bitter oder peinlich. Besonders unangenehm sind den meisten jene Fehler, die ihnen beruflich unterlaufen. Schließlich sind hier Publikum und Konsequenzen in der Regel größer als im privaten Umfeld. Während der Strahl des Rampenlichts unsere Erfolge durchaus treffen darf, wollen wir unsere Misserfolge möglichst schnell im Dunkel des Erdbodens versenken. Jan U. Hagen, Professor an der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin, sagt zu unserer Haltung Fehlern gegenüber: „Es gibt keine Kultur, die gern Fehler zugibt. Fehler zu machen, ist nun mal einfach unangenehm. Die Besonderheit der Deutschen ist vielleicht ihr Perfektionsstreben. Wir wollen es richtig und gründlich machen. Statt die Lernchan­cen zu sehen, wird der „Schuldige“ oft abgekanzelt oder bestraft. Bei den Ame­rikanern ist das Scheitern weniger stig­matisiert. Da heißt es nicht: Du kannst das nicht, sondern probiere es noch mal. Beim ersten Mal muss es nicht gleich per­fekt sein.“ (Quelle: wirtschaft+weiterbildung 01_2019, S. 36). Die Lernchancen beim Scheitern sind nicht zu unterschätzen. Amazon-Chef Jeff Bezos weiß das genau: „Innovation und Scheitern sind wie untrennbare Zwillinge.“ (Quelle: sueddeutsche.de, Die Billionen-Saga, 5.9.18). Denn Fehler sind Wegweiser, wo Verbesserungs- oder Veränderungsbedarf besteht. Sie zeigen uns, wo noch Mangel herrscht oder Strategien nicht greifen. Sie sind nichts anderes als Helfer – wenn wir es zulassen.

Fehlerkultur: Fragen statt Schuldzuweisungen

Irren ist menschlich, sagt der Volksmund. Und dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Umso wichtiger ist es, offen und fair mit diesen Fehlern umzugehen. Denn das schafft Bewusstsein, Sensibilität und nützliche Lerneffekte. Die NASA hat im innerbetrieblichen Prozess ein sogenanntes ABC-Modell etabliert: A steht für „Ask“. Bemerkt ein anderer den Fehler eines Kollegen (oder auch seines Vorgesetzten), dann weist er keine Schuld zu, sondern fragt: Ist das richtig, dass du/Sie xy gemacht hast/haben? Diese Frage dient der Reflexion. Der Kollege kann innehalten und seinen Fehler selbst erkennen. Zeigt er keine Anstalten, dies zu tun, sieht die NASA das B für „Bring in“ vor. Der andere bringt sich ein, indem er deutlich macht, welche Folgen er durch diesen Fehler erwartet: Ich befürchte, dass dadurch xy geschehen wird, weil durch dein/Ihr Handeln auch xy betroffen ist. Damit setzt er den Fehler in einen Kontext ohne direkte Schuldzuweisung. Sein Kollege hat noch immer die Chance, seinen Fehler zu erkennen und zu reagieren. Geht er weiterhin nicht darauf ein, folgt C für „Challenge“. Der andere macht klar, welche Herausforderung für das Unternehmen durch den nicht korrigierten Fehler entsteht, z.B. die Sicherheit aller gefährdet ist. Mit diesem Ablauf installiert die NASA zusätzliche Kontrollmechanismen, die nicht nur für mehr Sicherheit sorgen, sondern auch gegenseitig zum Lernen anregen. Auf diese Weise können potentielle Fehler mit weitreichenden Konsequenzen frühzeitig erkannt und behoben werden.

Aus dem ABC-Modell wurde eine generelle Methodologie entwickelt:

  1. Identifizierung und Analyse der Handlungen, die zu einem bestimmten Ergebnis führten
  2. Verfolgen der Ressourcen, die für diese Handlungen genutzt wurden
  3. Definition der erzeugten Ausgaben
  4. Verknüpfen der Aktivitätskosten mit den Ergebnissen unter Berücksichtigung der Kostentreiber

(Quelle: https://science.ksc.nasa.gov/shuttle/nexgen.old3/e_Simulations/d-ABC_Costing.htm)

Ein Fehler wird hier unternehmerisch im Kontext betrachtet und dahingehend analysiert, wie sich kosten- und ressourcenintensive fehlerhafte Vorgehensweisen künftig vermeiden lassen. Aus jedem Fehler und jeder Niederlage lassen sich wertvolle Erkenntnisse ziehen. Das gilt in Unternehmen genauso wie außerhalb davon. Und das gilt übrigens nicht nur für Misserfolge, sondern auch für Erfolge. Auch aus ihnen können wir nach gründlicher Analyse lernen, indem wir uns fragen: Wie können wir das, was zum Erfolg geführt hat, für weitere Projekte nutzen? Dazu noch ein Hinweis: Während es nachweislich förderlich für die Motivation ist, Erfolge gebührend zu feiern, halte ich wenig davon, Fehler zu glorifizieren. „Fuck Up Nights“ und „Fehler des Monats“ richten den Fokus aufs Falsche, nicht auf den möglichen, machbaren Weg. Damit wird das Falsche noch verstärkt – und das hilft nicht zur Weiterentwicklung. 

Fehlerkultur: Fragen führen weiter als Verurteilungen

Eine gemeinsame Studie von Jan U. Hagen (ESMT Berlin), Avner Shahal (TU Berlin) und Zhike Lei (Pepperdine University, Malibu/USA) bei der deutschen und israelischen Luftwaffe sowie bei einer europäischen Fluggesellschaft zum Einfluss des Vorgesetztenverhaltens auf die Team-Performance in einer Notfallsituation kam zu dem Ergebnis, dass die Fragen der Führungskraft tatsächlich entscheidend sind. Hagen: „Das Ergebnis war, dass weder sein Alter noch seine Erfah­rung eine Rolle spielt. Entscheidend ist, ob er seinem Team Fragen stellt. Was seht ihr? Welchen Schritt schlagt ihr vor? Dann ging die Performance des Teams nach oben. Als Führungskraft muss ich natür­lich nicht alle Vorschläge befolgen, aber ich brauche alle verfügbaren Informatio­nen, weil ich dadurch meinen Blickwin­kel erweitere und manchmal eine andere Sicht auf die Situation bekomme.“ (Quelle: wirtschaft+weiterbildung 01_2019, S. 36). Führungskräfte sollten in herausfordernden Situationen nie glauben, dass sie alles wissen oder alles besser wissen. Der gemeinsame Austausch und das gezielte Einholen von Informationen dienen dem Erfolg, den am Ende alle gemeinsam verzeichnen. Dasselbe gilt für den Umgang mit Fehlern. Gemeinsam lernen heißt sich gemeinsam weiterentwickeln. Das sogenannte Crew Ressource Management (CRM), das Teams in der Luftfahrt zu Höchstleistungen befähigt, dient dem erfolgreichen Fehlermanagement: In der Reflexion wird sachlich ohne Schuldzuweisungen über richtige und falsche Handlungen gesprochen, hierarchieunabhängig und ehrlich.

Fehlerkultur: Vertrauen hilft besser als Verurteilungen

Der zeitliche und räumliche Abstand zu einer Niederlage hilft dabei, sie gewinnbringend zu verarbeiten. Nach Misserfolgen ist die Enttäuschung oft groß. Dann gilt es, zunächst negative Emotionen abzubauen, damit der Kopf frei wird. Begangene Fehler mit größeren Konsequenzen können an unserem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl nagen. Dann hilft es, wenn uns Empathie und Vertrauen entgegen gebracht werden. Führungskräfte sollten den Kontakt zu ihren Mitarbeitern suchen, wenn ein Projekt gescheitert ist, und ihnen demonstrativ ihr Vertrauen aussprechen. Der bekannte Fußballtrainer Pep Guardiola tut dies stets: „Wie ein Mantra sprach Pep Guardiola seinen Spielern immer wieder öffentlich sein Vertrauen aus. Und davon ließ er sich trotz aller Kritik und Einmischungen niemals abbringen: »Ich kann meine Spieler auf dem Platz oder beim Training triezen, aber an ihnen zweifeln? Nie.« Solch bedingungs­loses Vertrauen entsteht nicht von allein. Es ist das Er­gebnis eines Prozesses, bei dem man sich immer wieder selbst davon überzeugen muss, dass man beim anderen findet, was man sucht. Vertrauen ist eine Voraussetzung dafür, Erfolg zu haben. Ohne Vertrauen kann man keinen Plan in die Tat umset­zen.“ (Quelle: Albert Jumilla. Tu, was du kannst – und sei mutig: Pep Guardiolas Erfolgsgeheimnis. Blanvalet, 2013, S. 132-133). Denn ohne die Sicherheit, das Vertrauen seiner Kollegen und seines Vorgesetzten zu haben, fehlt Mitarbeitern der Mut, Risiken einzugehen, neue Wege zu beschreiten – und dabei vielleicht auch Fehler zu machen. Dann ist Stillstand das Gebot der Stunde, das Verharren in der Komfortzone, der Dienst nach Vorschrift. Doch auf dieser Basis entwickelt sich nichts weiter, und das gefährdet den Unternehmenserfolg. Die Haltung und das Verhalten von Führungskräften hat beim Umgang mit Fehlern und Misserfolgen eine enorme Bedeutung für die Performance von Mitarbeitern. Das zu wissen, ist nicht nur wichtig, sondern entscheidend für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Zeit für einen Paradigmenwechsel.

© Antje Heimsoeth

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Über die Autorin
Antje Heimsoeth
Ihre berufliche Laufbahn begann Sie als Geodätin. Heute gehört Sie als erfolgreiche Keynote Speakerin mit hunderten von Vorträgen und Expertin für Mentale Stärke, Motivation, Leadership, Erfolg, Selbstführung und Spitzenleistungen und zehnfache Buchautorin zu den bekanntesten, gefragten und einflussreichsten Mental Coaches von Spitzensportlern, Führungspersönlichkeiten, Vorständen, Spitzenmanagern, Unternehmern und Rednern. Sie wurde als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“, mit dem Award „Erfolgreiche Unternehmerin 2016“, in 2019 mit Top 10 Trainer & Influencer und in 2017 mit TOP 100 Erfolgstrainer (durch das Magazin ERFOLG) ausgezeichnet. Bei Managern und Medien gilt sie als „renommierteste Motivationstrainerin Deutschlands“ (FOCUS).

 

 

1 Kommentar

  1. Ich habe ihren Artikel gelesen, dieser wäre in der Konsequenz richtig nur leider sieht es in der Praxis anders aus. Wenn Fehler entstehen wird häufig ein Schuldiger gesucht, man den drischt man dann drauf und wenn dann später wirklich nachgeforscht wird was selten passiert dann merkt man das dieser oft gar nichts dafür könnte. Kurzum gesagt, Hauptsache man hat einen Schuldigen die Wahrheit ist dann unwichtig. Dies führt zu Angst Demotovation und Abschottung der Belegschaft Mfg Vetterl Hans

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