Gesundes Führen: Arbeiten in Corona-Zeiten

Gesundes Führen: Arbeiten in Corona-Zeiten - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

07. Sep 2020

Wie Homeoffice, Selbstmanagement und Führung aus der Distanz gelingen

Die Corona-Krise hat jeden von uns vor neue Herausforderungen gestellt: Wir mussten uns mit Beschränkungen unserer Bewegungsfreiheit, mit neuen Hygiene- und Verhaltensregeln, Homeschooling, dem Arbeiten und Führen aus der Distanz, sich ständig ändernden Vorgaben und Regelungen arrangieren. Allein für den Betrieb meiner Academy umfasste das Hygienekonzept 17 Seiten voller Vorgaben. Jeder Seminarteilnehmer bedarf nun einer genauen Einweisung zu Beginn, was erlaubt und was nicht (mehr) erlaubt ist. Noch ist nicht absehbar, wann wir ohne weitere Reglements auskommen – und einiges wird sich in unserem Alltag vermutlich auf Dauer ändern. Das ist für viele nicht nur ein organisatorischer und wirtschaftlicher Kraftakt, sondern auch ein mentaler.

Ich werde in diesen Tagen oft gefragt, wie man gut mit dieser Krisensituation umgehen kann: Wie lässt sich Gelassenheit bewahren? Wie kann ich, trotzdem ein Großteil der Mitarbeiter im Homeoffice sitzt, mit dem Team im Kontakt bleiben? Wie lässt sich aus der Distanz ein Wir-Gefühl fördern?

Gelassenheit ist keine Kunst, sondern ein Hauch von Konfuzius

Die Bilder und Nachrichten der vergangenen Monate haben bei vielen Menschen Stress erzeugt. Eine Pandemie dieses Ausmaßes war uns nicht vertraut, der unbekannte Coronavirus sorgte für Verunsicherung und Angst, seine Folgen sind auf verschiedensten Ebenen weitreichend. Bei der Bewältigung dieses Stresses spielen unsere inneren Prozesse wie Fühlen, Denken, Wahrnehmen und Bewerten eine entscheidende Rolle. Ob es bei uns zu Stress kommt oder nicht, hängt in erster Linie davon ab, wie wir Situationen selbst einschätzen und bewerten und wie wir unsere Fähigkeiten, Stärken, Talente und Ressourcen beurteilen. Je größer die Angst vor Verlusten oder schwer einschätzbaren Veränderungen ist und je bedeutungsvoller deren mögliche negativen Konsequenzen sind, desto größer wird für uns das Gefühl der Bedrohung und damit auch der Stress.

Lesen Sie auch: Stress – was tun?

So kann die Komplexität in der Neuorganisation von Abläufen und die Furcht vor wirtschaftlichen und persönlichen Einbußen bei Mitarbeitern und Führungskräften solchen Druck erzeugen, dass der daraus resultierende Stress dauerhaft deren Arbeitsleistung und Gesundheit beeinträchtigt. Denn jene archetypischen Hirnreaktionen, die Menschen früher in bedrohlichen Situationen retteten, können heute zur Blockade im Handeln und zur Belastung für unsere Gesundheit werden. Mit dem Anstieg des Stresshormons Cortisol verschlechtert sich die Erinnerungsfähigkeit, die ständige Alarmbereitschaft vermindert unsere Regenerationsfähigkeit und unsere kognitive Flexibilität verringert sich, kurz: Wir sind auf Sicherheit bedacht und probieren keine alternativen Verhaltensweisen mehr aus. Das lähmt. Dabei bräuchten wir in einer solchen Krisensituation, wie wir sie gerade erleben, vor allem Flexibilität, Neugierde, Mut, Kreativität und die Bereitschaft zur Weiterentwicklung – und das von jedem Einzelnen. Das erfordert ein offenes Denken, ein Besinnen auf vorhandene Stärken und eine realistische, reflektierte Einschätzung der Situation.

Der chinesische Philosoph Konfuzius wusste, wie wichtig die Frage der Perspektive für ein kluges Vorgehen ist: „Nenne keinen weise, ehe er nicht bewiesen hat, dass er eine Sache von wenigstens acht Seiten her beurteilen kann.“ Und wer sich die Zeit für diese Reflektion nimmt, übt sich nicht nur in Gelassenheit, sondern auch in Weitsicht. Und die ist in Krisenzeiten besonders gefragt.

Natürlich hilft für die unmittelbare Gelassenheit auch Entspannungsatmung. Jede Emotion hat ihr eigenes Atemmuster. Angst z.B. beschleunigt die Atmung, macht sie ungleichmäßig. Durch gleichmäßiges, langsames und ruhiges Atmen mit verlängerter Ausatmung versetzen wir uns in einen Zustand der Gelassenheit und Ruhe. Atmen Sie lang und tief in den Bauch hinein, so dass sich beim Einatmen Ihre Bauchdecke hebt und beim Ausatmen senkt. Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit für das konzentrierte, tiefe Atmen – und Sie werden erleben, wie Ihr Herzschlag sich beruhigt.

Herausforderung Homeoffice: Rituale, Struktur und Bewegung helfen

Für viele war das Arbeiten von zu Hause aus zu Beginn der Pandemiebeschränkungen eine begrüßenswerte Veränderung, weil sie uns mehr Gestaltungsfreiheit schenkte, um Kinderbetreuung und häusliche Pflichten mit dem Job unter einen Hut zu bekommen. Lange Anfahrts- und Heimwege entfielen, die Kleidung durfte bequem sein. Aber mit zunehmender Dauer zerrte das Homeoffice eben wegen der Beschränkung aufs Häusliche, ohne direkten Kontakt mit Kollegen und Kunden, an Gemüt und Nerven. Wie gut wir damit zurechtkommen, hängt nicht zuletzt von unserem Selbstmanagement ab.

Es hilft, sich einen realistischen Optimismus zu bewahren und zuversichtlich zu bleiben – und damit den Sorgen bewusst entgegenzusteuern. Für unser Wohlbefinden sind Körper, Geist und Emotionen gleichermaßen wichtig. Gesundes Essen, Bewegung und ausreichend Schlaf sind ebenso unverzichtbar wie ein gutes Emotions- und Stressmanagement.

Legen Sie auch fürs Arbeiten im Homeoffice Regeln fest, z.B. dass der Kunde innerhalb von 24 Stunden nach Anfrage kontaktiert wird. Und natürlich hilft auch für die Zusammenarbeit aus der Ferne ein Ethikkodex, dem sich alle verpflichtet fühlen. Definieren Sie den Zeitrahmen, in dem Ihre Mitarbeiter erreichbar sein sollten – und ab wann sie „abschalten“ dürfen.

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Wie Beziehungen uns stark machen

Als Führungskraft sollten Sie bei virtuellen Meetings auch auf der Gefühlsebene Anteil am Befinden Ihrer Mitarbeiter nehmen und zu Beginn fragen: Wie geht es dir gerade? Aufmunternde und verständnisvolle Worte helfen oft, um eine Stimmung positiv zu beeinflussen. Eine gute Führung lebt von den guten Beziehungen zu anderen. Und diese Beziehungen können Sie auch aus der Ferne pflegen, wenn Sie Anteilnahme und Interesse zeigen – durch offene Fragen und auch durch Gesten wie kleine Aufmerksamkeiten, die Sie nach Hause zu Ihren Mitarbeitern schicken. Gute Beziehungen sind in Krisenzeiten nicht nur im Job, sondern auch im Privatleben eine nicht zu unterschätzende Kraftquelle. Zu einem guten Beziehungsmanagement gehören auch die Fähigkeit des Zuhörens und Verstehens. Verstehen heißt nicht, immer einverstanden zu sein. Es bedeutet vielmehr, empathisch in der Lage zu sein, die Perspektive und Situation des anderen nachzuvollziehen. Schätzen Sie das, was geleistet wird, indem Sie es lobend würdigen und zeigen, dass Sie den Einsatz Ihrer Mitarbeiter auch dann wahrnehmen, wenn Sie räumlich getrennt sind. Starten Sie Meetings mit einer positiven Begebenheit – beruflich oder privat -, um eine gute Stimmung zu schaffen. Gemeinsames Lachen verbindet ebenso wie gute Gefühle. Dort, wo ein gemeinsames Arbeiten vor Ort wieder möglich ist, bleibt dennoch Distanz, weil wir auf ausreichenden Abstand und Hygieneregeln achten müssen. Der Handschlag ist passé, aber der Blickkontakt bleibt uns trotz Mundschutz erhalten. Sprechen Sie Ihre Mitarbeiter zur Begrüßung mit Namen an, denn wir Menschen mögen es, persönlich mit Namen angesprochen zu werden, weil wir uns dann wahrgenommen fühlen.

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Zwischendurch kleine Pausen machen

Im Homeoffice verlaufen die Grenzen von Arbeit und Freizeit fließend. Umso wichtiger ist es, sich und anderen auch hier regelmäßige Pausen einzuräumen: alle 1,5 bis 2 Stunden sollte man zwei Minuten lang eine kurze Pause einlegen. Das kann das Kochen eines Tees oder Kaffees sein oder auch das Denken an ein schönes Erlebnis. Wechseln Sie den Ort, gehen Sie ans Fenster, öffnen Sie es, atmen Sie frische Luft und nehmen Sie bewusst die Natur draußen wahr. Ermuntern Sie auch Ihre Mitarbeiter zu regelmäßigen Pausen. Vereinbaren Sie mit Ihrem Team eine virtuelle gemeinsame Kaffeepause – oder auch ein gemeinsames Einläuten des Feierabends am Freitag in einer virtuellen Runde, wo Sie bewusst nicht mehr über Dienstliches sprechen, sondern über die Pläne fürs Wochenende oder was Sie gerne täten, wenn jetzt alle direkt beisammensitzen würden. Das Ganze lässt sich auch noch mit einem Aperitif oder gemeinsamen Bier krönen.

Und gerade weil wir beim heimischen Arbeiten zu Bewegungsmangel neigen, ist das bewusste Integrieren von Bewegung in den Alltag hilfreich. Ob Joggen, Radfahren oder Spazierengehen – jeder Tag sollte mit einer Bewegungseinheit einhergehen. Vielleicht können Sie als Führungskraft sogar gemeinsame Runden mit entsprechendem Abstand anbieten, wenn alle vor Ort beheimatet sind.

Kommunikation bleibt der Schlüssel zur Kooperation

Sie sehen anhand meiner Ausführungen, dass der Austausch mit anderen durch die Corona-Beschränkungen nicht an Stellenwert verloren hat, im Gegenteil. Jetzt kommt es noch mehr als zuvor darauf an, transparent und nachvollziehbar zu agieren, Stimmungen und Nöte wahrzunehmen, alle abzuholen und „mitzunehmen“. Sprechen Sie mit dem Team darüber, was sich für jeden Einzelnen seit Beginn der Corona-Pandemie verändert hat.

Lassen Sie auch das Feedback nicht unter den Tisch fallen, um Frust oder Fehlentwicklungen zu vermeiden. Ich empfehle dafür die Feedforward-Methode nach Marshall Goldsmith. Hier vermitteln Sie statt reiner Rückmeldung zu Leistungen auch konkrete Veränderungsmöglichkeiten für die Zukunft: Wie genau können Ihre Mitarbeiter ihr Verhalten verändern, um eine Aufgabe, besser, schneller, einfacher zu erledigen? Statt rückwirkend zu bewerten, was gut oder schlecht war, erfahren Ihre Mitarbeiter konkrete Verbesserungsmöglichkeiten und können sie als Feedback besser annehmen. Auch neue Projektmanagementtechniken können Dialoge und Abläufe verbessern.

Lesen Sie auch: Feedback ist das Futter für Fortschritt

Wie immer Sie es in Ihrem Unternehmen handhaben, wer wie lange im Homeoffice arbeitet, eines ändert sich durch das Arbeiten auf Distanz weiterhin nicht: Es bedarf einer guten Führung und Selbstführung, um erfolgreich zusammenzuarbeiten. Mit dem Homeoffice haben digitale Kollaborationsplattformen, Videokonferenzen und Chat-Tools auch dort Einzug in unserem Arbeitsalltag gehalten, wo sie bislang kaum genutzt wurden. Der Faktor Mensch bleibt hier dennoch der wichtigste Part, um gute Ergebnisse zu erzielen. Und dafür braucht es gute Führungskräfte!

© Ihre Antje Heimsoeth

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Über die Autorin

Antje HeimsoethAntje Heimsoeth, Diplom-Ingenieurin (FH), Coach, ECA und DVNLP, zert. Mental Coach, Gesundheitstrainerin, ECA Sport Coach (Master Competence), zert. Entspannungspädagogin, zert. Business Coach und Top-Speakerin mit eigenem Institut Heimsoeth Academy, ausgezeichnet als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und „Deutschlands renommierteste Motivationstrainerin“ (FOCUS). 2019 wurde sie zum Senat der Wirtschaft berufen und so Teil eines exklusiven Kreises von Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

Weltweit tätig. Auftritte bei RTL Aktuell, n-tv, Sport1, hamburg1, nrw.tv, BR (Blickpunkt Sport) und Sky sowie auf Kreuzfahrtschiffen (MS Europa 2, AIDA). Bestsellerautorin.

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