Unternehmen und Mitarbeiter:innen für ein wichtiges Thema sensibilisieren
Burnout, psychische Probleme und Depressionen sind Themen, mit denen Personaler und HR-Verantwortliche immer öfter zu tun haben. Ob in Vorstellungsgesprächen oder bei Entwicklungsmaßnamen – es zeigt sich, dass Menschen die Unsicherheiten unsere Zeit mehr denn je zu schaffen machen, dass der wachsende Stress und Druck, aber auch Ängste ihnen den Schlaf und die Energie rauben. Viele sind den täglichen Aufgaben – beruflich wie privat – nicht mehr gewachsen. Was unsere mentale Gesundheit aus dem Gleichgewicht bringt, wissen wir also. Stellt sich die Frage, wie Unternehmen mentale Gesundheit fördern können bzw. welche Faktoren für Betroffene sowie Führungskräfte oder Kolleginnen und Kollegen besonders wichtig sind.
Noch immer glauben viele Unternehmen, dass Obstkörbe und Yoga-Kurse ausreichen, um Mitarbeiter:innen zu motivieren und gesund zu erhalten. Ein paar bezahlte Fitness-Einheiten, ob in der Firma oder im Studio, mögen dazu beitragen, den einen oder anderen langen Tag am Schreibtisch besser wegzustecken oder sich insgesamt körperlich fitter zu fühlen. Um die mentale Gesundheit der Belegschaft langfristig auf einem hohen Level zu halten, ist das allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber vielleicht soll und muss es gar nicht mehr sein? Eine Initialzündung, der Anstoß, auch selbst etwas dazu zu tun.
Was ist mentale Gesundheit?
Gesamtheitlich wird Gesundheit von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) seit 1948 als „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und des sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“ definiert. Auch auf die Fragen „Was ist mentale Gesundheit?“ sowie „Was macht psychische Gesundheit aus?“ liefert die WHO im Jahr 2019 eine Definition: „Psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.“ (Aus Antje Heimsoeth. Mentale Gesundheit. Beck kompakt 2023)
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Auch wenn in vielen Unternehmen generell einfach zu wenig Wissen darüber vorhanden ist, so ist mentale Gesundheit nicht nur Unternehmenssache, oder gar Aufgabe der Personalabteilung bzw. Führung. Ja, wir müssen insgesamt mehr für das Thema sensibilisieren – gerade in der Führungsebene – aber letztendlich ist die Eigeninitiative jedes Einzelnen gefragt. „Wie geht es mir?“, „Was brauche ich?“, „Wann, wo und wie stoße ich an meine Grenzen?“ und „Was kann ich selbst tun?“ sind wichtige Fragen auf dem Weg zur eigenen mentalen Gesundheit. Zugleich sollten wir natürlich achtsam mit den Menschen in unserem Umfeld diesbezüglich umgehen.
Die Zahlen sprechen für sich
Laut Statista zählte die AOK „2021 durchschnittlich 6 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1.000 Mitglieder aufgrund einer Burn-out-Diagnose. Damit hat sich die Diagnosehäufigkeit im letzten Jahrzehnt drastisch erhöht. Auch das Krankheitsvolumen dieser Diagnosegruppe ist zuletzt deutlich gestiegen: waren es 2005 noch 13,9 Krankheitstage registrierte die AOK 2020 durchschnittlich 141,8 AU-Tage je 1.000 Mitglieder. Hochgerechnet auf alle gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten ergeben sich daraus für 2021 rund 194.000 Burn-out-Betroffene mit kulminierten 4,8 Millionen Krankheitstagen.“ (Statista, 2023) Auch aktuelle Studien, wie der AXA Mental Health Report 2023 zeigen auf, wie dramatisch die Auswirkungen sind: „Mehr als vier von zehn jungen Frauen (41 Prozent) zwischen 18 und 34 Jahren sagen, dass sie aktuell unter Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Zwangsneurosen oder anderen psychischen Erkrankungen leiden. […] Im Bundesdurchschnitt gibt rund jede:r Dritte (32 Prozent) an, derzeit unter einer mentalen Erkrankung zu leiden. Im Vergleich mit den weiteren untersuchten Ländern aus Europa liegen Deutschland und Großbritannien (32 Prozent) damit an der Spitze.“ (ChannelPartner, 2023)
Weitere Zahlen können Sie hier nachlesen: Mentale Gesundheit – die Basis für Lebensfreude und Leistungsfähigkeit
Physische Krankheit o.k. – psychisches Problem oje!
Unsere mentale Gesundheit beeinflusst, wie wir denken, fühlen und handeln. Sie bestimmt, wie wir mit Stress und Druck umgehen und welche Entscheidungen wir treffen. Ein guter Grund, sich im Unternehmen intensiver damit zu beschäftigen. Erst seit 2013 im Arbeitsschutzgesetz (§ 5 ArbSchG, Ziffer 6) verankert, ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ein vergleichsweise junges Handlungsfeld des betrieblichen Arbeitsschutzes. Verletzt sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter im Betrieb, erkannt das Umfeld schnell und auch an, dass die- oder derjenige krank ist und ihrem/seinem Job für eine gewisse Zeit nicht nachkommen kann. Hat ein Mitarbeiter hingegen ein psychisches Problem sieht man ihm das nicht (immer) unbedingt an – trotzdem ist er oder sie nicht voll einsatz- und leistungsfähig. Nur eine offene Kommunikation und ein transparentes Gesundheitsmanagement – vorbeugend ebenso wie im Falle eines akuten Problems – können sicherstellen, dass in Unternehmen offen mit psychischen Problemen und mentaler Gesundheit umgegangen wird.
Wichtig in diesem Zusammenhang: HR-Verantwortliche und Führungskräfte sind keine – oder nur in den seltensten Fällen – Psychiater, Psychotherapeuten oder medizinischen Psychologen. Deshalb sollten sie Diagnosen tunlichst unterlassen. Auch von „hausgemachten“ Ratschlägen rate ich eher ab. Aber eines können wir: Gegenseitig gut auf uns Achtgeben. Manchmal hilft es schon, zu signalisieren: Mir ist da etwas aufgefallen, falls du ein Problem hast, bin ich für dich da und höre dir zu. Ohne dich zu verurteilen und absolut vertraulich! Das Thema an sich hingegen sollte so transparent wie möglich kommuniziert werden. Erkennen Betroffene, dass psychische Gesundheit einen ebenso hohen Stellenwert wie physische Gesundheit hat bzw. offen und ehrlich damit umgegangen wird, senkt das die Hemmschwelle und Mitarbeiter:innen werden mentale Probleme leichter ansprechen.
Das Leben ist ein Auf und Ab – akzeptieren wir es so, wie es ist
Stehen wir mitten im Business-Leben, sind wir es gewohnt, Pläne zu schmieden. Wir setzen uns Ziele und entscheiden, was wir bis wann erledigt haben müssen, um letztendlich zum angestrebten Termin über die Ziellinie zu laufen. In den letzten Jahren hat das Leben (oder besser zuerst die Pandemie und dann der Krieg mit all den betriebswirtschaftlichen, vor allem aber menschlichen Herausforderungen) uns gezeigt, dass es manchmal planungsresistent ist. Wir mussten wohl oder übel akzeptieren, dass eben jenes Leben uns die eine oder andere Hürde auferlegt. Zugleich durften wir aber auch lernen: Nehmen wir beides – das Leben und die Hürden – so an, wie sie sind und kommen, fällt es und leichter, mental gesund und stark zu bleiben. Kämpfen wir gegen Unveränderbares an, kostet uns die unnötige Kraft. Suchen wir hingegen einen konstruktiven Umgang mit den Aufs und Abs des Lebens, d.h. durchschreiten wir Täler (globale Krisen, persönliche Niederlagen) voller Zuversicht, dass auch wieder andere Zeiten kommen und erfreuen uns umgekehrt an der wunderbaren Aussicht, wenn wir die Gipfel erklommen haben, dann stärken wir mit jedem Schritt unsere mentale Gesundheit.
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Das mentale Gesundheitskonto für jeden – absolut kostenlos
Ohne (mentale) Gesundheit ist alles nichts wert. Sind wir körperlich fit, finanziell abgesichert und die Umstände positiv, können wir unser Leben trotzdem nicht genießen, wenn wir mental angeschlagen sind. Unsere Leistungsfähigkeit, unsere Widerstandskraft und unser Immunsystem leiden. Wir haben sozusagen ein Defizit auf unserem Gesundheitskonto. Je nachdem, wie stark das Minus ist, umso höher sind die Zinsen und umso länger dauert es, bis wir es wieder ausgeglichen haben. Umgekehrt können wir aber auch ganz bewusst immer wieder etwas auf das Konto einzahlen und so die Bilanz am Ende möglichst ausgeglichen halten. Denn eines ist klar: Wir können im Leben nicht alles beeinflussen. Ob allgemeine Belastungen auf uns einströmen, ob wir persönlich verletzt werden, liegt nicht immer in unserer Macht. Aber trotz allem und unabhängig von den äußeren Umständen, können wir uns gut um uns selbst kümmern. Vier Ebenen spielen dabei eine wichtige Rolle:
- Gedanken: Was den meisten Menschen heute zu schaffen macht, sind vor allem unklare Ängste, Abhängigkeiten, Sorgen, Probleme sowie innere und äußere Widerstände. Wenn wir all die negativen Gedanken „pflegen“, dann buchen wir jedes Mal etwas von unserem mentalen Gesundheitskonto ab. Überprüfen Sie Ihre Einstellung: Wie oft sagen Sie, dass Ihre Arbeit mühsam ist, dass alles über Ihre Kräfte geht. Negative Glaubenssätze werden zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Ob Sie eher ein Pessimist oder ein Optimist sind – das Leben wird Ihnen in jedem Fall Recht geben.
- Gefühle: Zweifel an unserer Zukunft, unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten erzeugen negative Gefühle, die unsere mentalen Kräfte schwächen. Analysieren Sie also Ihre emotionale Ebene: War ich in letzter Zeit oft sehr verärgert? Aggressiv? Habe ich diesen Gefühlen etwas entgegenzusetzen gehabt? Oder war ich überwiegend ruhig und gelassen? Entscheiden ist, dass Sie negative Gefühle zwar zulassen und wahrnehmen, sich allerdings nicht von ihnen bestimmen lassen.
- Verhalten: Die besten Gedanken und Gefühle nützen nichts, wenn wir nicht ins Handeln kommen. Viele Menschen neigen dazu, ihr Umfeld für alles verantwortlich zu machen und versuchen andere(s) zu ändern – auch wenn sie wissen, dass dies nur sehr selten möglich ist. Richten Sie Ihr Verhalten doch lieber daraus auf, regelmäßig auf Ihr Gesundheitskonto einzuzahlen, z.B. mit einer täglichen bewussten Ich-Zeit, ob eine Meditation oder kurze Pause entscheidet jeder für sich selbst.
- Körper: Neben dem Schlaf als nächtliche Regenerationsphase, ist vor allem ausreichend Bewegung sowie eine gesunde und ausgewogene Ernährung plus ausreichende Trinkmenge für eine ausgeglichene körperliche Ebene wichtig. Ein weiterer Faktor ist unsere Atmung, die – richtig ausgeführt – Tag und Nacht dafür sorgt, dass unser Gesundheitskonto eine positive Bilanz aufweist. Dank einer tiefen Bauchatmung bekommt Ihr Körper genügend Sauerstoff.
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Auch wenn wir für uns selbst verantwortlich sind – niemand muss Probleme alleine lösen!
Je eher und schneller wir uns bewusst machen, dass wir nicht alleine auf der Welt sind, umso stärker fühlen wir uns mental. Erkennen wir ein Problem oder stehen vor einer Herausforderung, ist es immer sinnvoll, sich mit anderen auszutauschen. Im Idealfall haben die Erfahrung mit dem Thema und deshalb Antworten oder wertvolle Anregungen auf unsere Fragestellungen. Zumindest können wir neue Impulse gewinnen oder vielleicht eine andere Sichtweise generieren. Ermutiger, Förderer, Ressourcen- und Vertrauenspersonen dienen als Ratgeber und Kraftspender, aber auch als Sparringspartner und Feedbackgeber. Eine wertvolle Aufgabe gerade im HR. Es gibt also viel zu tun! Für jeden Einzelnen und für uns als Gesellschaft, als Team und Unternehmen. Neben regelmäßigen Schulungen zu Stressmanagement und Resilienz-Trainings, die sich natürlich jederzeit virtuell durchführen lassen, oder einem persönlichen Coaching für mentale Gesundheit, liegt es an jedem selbst, im Kleinen anzufangen.
Quellen / Literaturverzeichnis:
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/239872/umfrage/arbeitsunfaehigkeitsfaelle-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/, abgerufen am 24.04.2023
- https://www.channelpartner.de/a/ein-drittel-der-befragten-gibt-psychische-erkrankung-an,3706102, abgerufen am 24.04.2023
- Heimsoeth, Antje (2023) Mentale Gesundheit: Wie wir entspannt unsere Leistungsfähigkeit erhalten. Beck kompakt
- Heimsoeth, Antje (2022) 111 Mental Hacks: Einfache Techniken, die Ihre mentale Stärke und Positivität steigern. Springer
Mehr Tipps zum Thema gibt’s im neuen Buch der Autorin:
Seminare, Webinare und Ausbildung zum Thema:
1. Webinar Resilienz kompakt! Wie lässt sich die Krise in Kraft transformieren
2. Webinar Weniger Stress – mehr mentale Stärke
3. Vortrag Gesundes Führen
4. Vortrag Stress beginnt im Kopf
5. Ausbildung zum Resilienz Coach
7. Seminar Effektive Selbstführung – sich selbst und andere führen
8. Vortrag Mentale Gesundheit
9. Online Seminar „Erfolgreiches Stressmanagement“
Ich freue mich auf Sie!
Antje Heimsoeth ist eine der bekanntesten Business- und Mental-Coaches im deutschsprachigen Raum. Sie ist „Deutschlands renommierteste Motivationstrainerin“ (FOCUS), „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ und 2021 und Expertin für die Themen mentale und emotionale Stärke, Mentale Gesundheit, Stressmanagement & Resilienz, Positive Leadership und Selbstführung. Ihr Know-how beruht auf Praxiserfahrungen, die durch wissenschaftliche Impulse stets untermauert werden.
Mit ihren Büchern und Vorträgen hat Sie über 850.000 Menschen erreicht.
2019 wurde sie zum Senat der Wirtschaft berufen.
www.antje-heimsoeth.com/www.heimsoeth-academy.com
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