Herausforderung Change: Wie werteorientierte Führung weiterhelfen kann

Herausforderung Change: Wie werteorientierte Führung weiterhelfen kann - Antje Heimsoeth

Autor

Antje Heimsoeth

Datum

04. Sep 2019

Kategorien

Wir leben in einer Zeit des rasanten Wandels, geprägt von neuen Technologien, Digitalisierung, Vorgehensweisen und Begriffen. Einer davon ist die vielbeschworene VUCA-Welt. Hinter diesem Akronym verbergen sich Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität als Merkmale unserer modernen Welt. Mehr als je zuvor geht es für jeden von uns darum, den Anschluss nicht zu verlieren, den Durchblick zu bewahren, ständig dazuzulernen und uns an die veränderten Bedingungen anzupassen. Das sind Herausforderungen, die insbesondere unserer mentalen Stärke und Resilienz viel abverlangen. Das gilt für Mitarbeiter wie für Führungskräfte. Es kommt entscheidend auf die innere Haltung an, ob wir in der VUCA-Welt weiter vorankommen oder uns plötzlich auf dem Abstellgleis wiederfinden.

Wertearbeit hat eine große Bedeutung

Der Wandel, neudeutsch Change, ist omnipräsent in Deutschlands Unternehmen. Firmen ziehen in neue Gebäude, Mitarbeiter bekommen neue Aufgaben, es werden neue Ziele und neue Werte definiert, es herrscht Fluktuation und die Digitalisierung schreitet weiter voran. Im Change Management sind Mitarbeiter tief verunsichert: Welche Aufgaben bekommen sie, wie geht es für sie weiter, droht ihnen der Arbeitsplatzverlust? Mit dieser Unsicherheit geht oft Angst einher. Und auf Angst reagieren Menschen klassisch mit drei verschiedenen Verhaltensweisen: Flucht, Lähmung oder Angriff. Am meisten verbreitet als Reaktion von Mitarbeitern im Change ist die Lähmung. Hier kommt den Führungskräften eine wichtige Rolle zu: Sie müssen die Freude am Tun wieder wecken und ihr Team aus der Schockstarre herausführen. Sie müssen dafür sorgen, dass der Einzelne wieder Sinn in seinen Aufgaben erkennt.

Die innere Haltung der Führungskraft kann andere zu einem gewissen Teil motivieren, der weitaus größere Teil der Motivation entspringt jedoch aus dem eigenen Inneren des einzelnen Mitarbeiters. Dabei wirkt mit, welche Werte und Bedürfnisse jeder hat. Doch wenn ich in Unternehmen im Einsatz bin und dort Führungskräfte nach ihren Werten und denen des Unternehmens frage, bekomme ich keine oder nur zähe Antworten. Die Werte scheinen nicht präsent zu sein. Dabei sind sie unbewusst sehr entscheidend fürs Handeln oder Verharren, fürs Akzeptieren oder Ablehnen, fürs Voranstreben oder Querschießen. Klaffen die Werte des Unternehmens und die Werte der Führungskraft oder des Mitarbeiters weit auseinander, kommt es zu Wertekonflikten. Und Konflikte mit den eigenen Werten oder den Werten des Unternehmens belasten und können die Gesundheit beeinträchtigen. Werteverluste machen Angst und erzeugen Abwehrmechanismen wie Aggression und Regression. Im Unternehmenskontext hat Wertearbeit deshalb eine große Bedeutung.

Werteorientiert führen heißt Werte kennen und berücksichtigen

Unternehmenswerte geben Orientierung fürs tägliche Handeln und den Umgang mit Kollegen, Mitarbeitern, Kunden. Sie bilden die Grundlage der Zusammenarbeit und sorgen für Zusammenhalt. Wer Mitarbeiter erreichen oder gar motivieren will, braucht Kenntnis von deren Werten. Denn dann lassen sich motivierende Arbeitsbedingungen schaffen – auch im Change. „Werteorientiert führen heißt, nicht nur die eigenen Werte zu kennen (Führungskräfteleitbild), der Mitarbeiter (Mitarbeiterleitbild) und der Kunden bzw. des Markts“ (Bär et al., 2010). Denn jeder von uns hat persönliche Werte, die unser Denken und Handeln prägen. Werte bestimmen die Bedingungen, unter denen es gut für uns ist, zu leben. Werte lösen Gefühle in uns aus – und damit wirken sie auf unsere Motivation. Je besser das Gespür der Führungskraft für die Werte anderer ist, desto schneller kann sie erkennen, woran es „hakt“ und kann entsprechend strategisch vorgehen. Werte sollten daher genügend Beachtung im Führungsalltag finden – die der anderen ebenso wie die eigenen. Denn persönliche Werte sind Teil der eigenen Identität. Die Werte eines anderen zu erkennen und zu respektieren, kann zu einer besseren Beziehung führen und ermöglicht es, den anderen zu motivieren. Es sind die Werte, die Kraft und Klarheit einer Führungskraft ausmachen. Doch in der Regel sind sich die meisten Menschen ihrer Werte und der Quellen ihrer Werte nicht bewusst.

Übung: Erkundung der eigenen Werte

Für die eigene Klarheit ist es wichtig, sich die Frage nach seinen Werten zu stellen:

  • Was ist Ihnen wichtig?
  • Warum lohnt es sich, täglich aufzustehen?
  • Wofür lohnt es sich, sich einzusetzen? Warum ist Ihnen das so wichtig? Was soll dadurch in Ihrem Leben entstehen?
  • Was ist Ihnen an Ihrer Arbeit wichtig?
  • Auf welche Werte kommt es Ihnen an?
  • Wozu arbeiten Sie?
  • Was fehlt Ihnen manchmal?
  • Wie motivieren Sie sich, wenn es richtig schwer wird?
  • Was muss erfüllt sein, damit Sie rundum zufrieden sind?
  • Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig (Partnerschaft, Freundschaft, Verwandtschaft)?
  • Was fehlt Ihnen da manchmal?
  • Was schätzen Sie besonders?
  • Passen Ihre Werte zu dem Leben, das Sie führen?
  • Welche Werte hat das Unternehmen, für das Sie arbeiten? Stimmen diese mit Ihren Werten überein?
  • Könnte darin ein möglicher Grund für Meinungsverschiedenheiten bzw. Konflikte innerhalb des Unternehmens, mit dem Vorstand, mit Ihrer Familie etc. liegen?
  • Wie wirken sich die Werte aus, die überhaupt nicht zwischen Ihnen übereinstimmen?
  • Welchen Wert sähen Sie gern fester in der Gesellschaft verankert, als es derzeit den Anschein hat?
  • Suchen Sie drei Menschen, mit denen Sie sich schwer tun. Welche Werte verletzen diese bei Ihnen? Aus welchen eigenen Wertigkeiten könnte das Handeln bzw. Verhalten dieser Menschen kommen?

Aufgabe: Suchen Sie nach Möglichkeiten, die Wertewelt Ihrer Familie und Ihres Unternehmens noch genauer zu erforschen. Wenn Ihre Werte und die Werte Ihres Unternehmens nicht gut zusammenpassen, sollten Sie sich damit beschäftigen, wie Sie unter dem Wertekanon des Unternehmens arbeiten können. Sich seiner Werte bewusst zu werden und diese im Kontext zu sehen, ist ein Akt der Selbstreflexion. Aus der Reflexion, vielleicht auch gemeinsam mit einem Coach, lassen sich Strategien erarbeiten.

Wenn eigene und Unternehmenswerte deckungsgleich sind, macht Arbeit Sinn

Es ist hilfreich, bei der Definition von Unternehmenswerten auch die Mitarbeiter einzubeziehen. Was allein vom Vorstand und Management vorgegeben schön eingerahmt an der Wand des Eingangsbereichs hängt oder auf der Webseite steht, wird allzu oft gar nicht gelebt. Das erzeugt Frust. Können diese Werte jedoch gelebt werden, weil sie deckungsgleich sind mit dem, was Mitarbeiter und Führungskräfte als Werte ansehen, dann macht die Arbeit für den Einzelnen Sinn. Und dann bleiben Menschen gerne im Unternehmen und rufen ihr volles Leistungspotenzial ab.

Das Handelsunternehmen Otto hat in den vergangenen Jahren einen starken Wandel im Unternehmen vollzogen. Nicht nur die Strategien und Geschäftsmodelle wurden neu ausgerichtet, auch die Unternehmenskultur erfuhr eine Erneuerung. Alexander Birken, Chef der Otto Group, hat in einem Interview Einblick in das Vorgehen gewährt: „Viele Leute bleiben lange bei Otto, weil sie überzeugt sind, für ein gutes Unternehmen zu arbeiten, das nicht in Quartalszahlen, sondern in Generationen denkt. Das ist ein großer Vorteil.“ (Hamburger Abendblatt, 18.6.19). Hier scheinen die Unternehmenswerte und die Werte der Mitarbeiter weitgehend deckungsgleich zu sein. Und Birken macht klar, was für ihn eine erfolgreiche Führungspersönlichkeit in der VUCA-Welt ausmacht: „Chef zu sein hat in der digitalen Welt ganz viel mit Coaching zu tun. […] Das ist das Wichtigste für mich: dass Chefs Menschen fördern wollen, dass sie mit Menschen können. Den Oberlehrer, der einem Kollegen erklärt, was er alles falsch macht, den brauchen wir nicht mehr.“ (ebd.). Besser hätte ich es nicht sagen können, um deutlich zu machen, wie sehr es auf die innere Haltung ankommt, um Mitarbeiter zu erreichen. Wer das verstanden hat und in der Lage ist, das zu leben, der meistert auch künftige Herausforderungen des Führungsalltags – Change hin und VUCA her.

© Ihre Antje Heimsoeth

Verwendete Literatur:

Bär, M., Krumm, R., Wiehle, H. (2010) Unternehmen verstehen, gestalten, verändern. Das Graves Value System in der Praxis. Gabler, Wiesbaden.

Heimsoeth, A. (2018). Kopf gewinnt! Der Weg zu mentaler und emotionaler Führungsstärke, Springer Gabler, Wiesbaden.

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