Die Macht der inneren Bilder
von Antje Heimsoeth
Plopp. Gerade noch hatte Michael direkt vorm Abschlag am Wasserhindernis gedacht: „Nur ja nicht ins Wasser treffen.“ Und dann war es geschehen. Der Ball landete im Wasser statt dahinter. Zufall? Pech? Schicksal? Nichts davon. Auf Michaels Gedanke folgte ein inneres Bild, das sein Gehirn als Handlungsanweisung verstand. Unser Gehirn kann das Wort „nicht“ nicht verarbeiten. Michaels Bild vor dem geistigen Auge wurde zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Dabei hätte er die Kraft seiner inneren Bilder zielführend nutzen können. Die Spitzengolfer verdanken ihre Erfolge u.a. ihren täglichen Visualisierungsübungen. Sie stellen sich immer vor, wo der kleine weiße Ball landen wird, alles weitere übernimmt dann das Unterbewusstsein. Die Golf-Legende Jack Nicklaus sagt: „Ich schlage nie einen Ball, selbst nicht beim Training, ohne ein sehr scharfes und klares Bild von dem Schlag in meinem Kopf zu haben. Es ist wie ein Farbfilm. Erst »sehe« ich den Ball am gewünschten Landeort, dann wechselt die Szene schnell und ich »sehe« den Ball, wie er dorthin fliegt; dann wird ausgeblendet, und die nächste Szene zeigt mir, wie ich den Schwung ausführe, der die vorausgegangenen Bilder in die Wirklichkeit umsetzt.“ (aus: Peter Terry (1990). Mental zum Sieg). München, S. 67).
Nutzen und Wirkung innerer Bilder
Visualisieren bedeutet das Vorstellen eines Ziels, Bewegungs-, Handlungsablaufs, eines ganzen Turniertages in Bildern. Sie stellen sich genau vor, was Sie tun werden. Mit Hilfe der Visualisierung können Sie positive Vorstellungsbilder programmieren, die Sie bei der späteren Ausführung Ihrer Schwünge und Erreichung Ihrer Ziele unterstützen. Diese Bilder werden sozusagen Teil Ihrer mentalen Software. Die Imagination wirkt strukturbildend im Gehirn. Regelmäßiges Visualisierungstraining kann helfen, Ängste und Nervosität zu reduzieren, mehr Selbstvertrauen zu entwickeln, die Kreativität zu steigern und die Konzentration zu erhöhen. Die Kunst des Visualisierens ist eine der wirksamsten zentralen Techniken, die Sportlern zur Verfügung stehen.
Voraussetzungen für erfolgreiches Visualisieren
Visualisieren gelingt am besten im entspannten Zustand. Bei geschlossenen Augen ist es leichter, weil Sie nicht von Ihrer Umwelt abgelenkt werden. Üben Sie ohne Druck! Sollten Sie anfangs Schwierigkeiten haben innere Bilder „zu sehen“, macht das nichts. Viele Menschen „spüren“ oder „denken“ ihre inneren Bilder. Die Kunst des Visualisierens bildet hinsichtlich Ihres Leistungsvermögens eine Brücke zwischen Geist und Körper. Beziehen Sie sämtliche Sinne(Sehen, Hören, Fühlen / Tasten, Riechen und Schmecken) in das Schaffen eines Bildes mit ein: Welche Geräusche hören Sie? Spüren Sie einen leichten Wind? etc. Die Bilder sind umso wirksamer, je detaillierter Sie sie sich vorstellen. Schreiben Sie Ihre Bilder zusätzlich auf.
Übung für den Anfang
Nehmen Sie einen Golfball und legen Sie diesen vor sich hin. Betrachten Sie ihn in Ruhe ganz genau. Schließen Sie nun die Augen. Versuchen Sie, sich den Ball so genau wie möglich vorzustellen. Diese Übung wiederholen Sie täglich, wenige Minuten reichen schon aus. So lange, bis Sie ganz sicher sind. Dann suchen Sie sich einen nächsten, komplizierteren Gegenstand.
Wenn Sie das Visualisieren von Gegenständen beherrschen, machen Sie mit inneren Bildern vom letzten Urlaub, von einem schönen Ort, z.B. morgens am See, etc. weiter. Achten Sie dabei auf Ihre Emotionen. Was fühlen Sie, wenn Sie Ihr Bild visualisieren? Kehrt ein wenig der Entspannung aus dem letzten Urlaub zurück, wenn Sie Bilder davon im „Kopfkino“ ansehen? Freuen Sie sich, wenn Sie an Ihren „schönen Ort“ denken? Laden Sie Ihr Bild mit positiven Empfindungen auf. Emotionen spielen eine Schlüsselrolle beim Speichern und Abrufen von Erinnerungen. Jede Erinnerung aktiviert gleichzeitig die daran gekoppelten Emotionen. Nun üben Sie, sich Schwünge vor Ihrem inneren Auge vorzustellen. Im Allgemeinen ist das Tempo der Visualisierung das gleiche wie in der praktischen Durchführung.
Nutzen Sie die Macht Ihrer inneren Bilder für Ihr Golfspiel. Bauen Sie das Vorstellungstraining fest in Ihren Trainingsplan ein. Gerade zur Turniervorbereitung kann Ihnen das Visualisieren enorm helfen. Machen Sie im Geiste perfekte Schläge. Zehn Minuten, in denen Sie „perfekte“ Schläge oder Fähigkeiten visualisieren, sind mehr wert, als 30 Minuten auf der Driving Range, in denen Sie wertlose, weil schlecht ausgeführte Schläge wiederholen.
Viel Erfolg wünscht
Über die Autorin
Antje Heimsoeth, Bestsellerautorin, u.a.: „Golf mental: Erfolg durch Selbstmanagement“. pietsch, 2014. Infos unter www.sportmentaltraining.eu
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