– Ein Appell an die Lebensfreude und das Fehlermachen –
Es ist Montagabend. Auf meinem Terminplan steht ein Vortrag von Antje Heimsoeth an der Hochschule Rosenheim: „Mentale Stärke – Was Frauen von Spitzensportlern lernen können!“ Ich bin gespannt, was die bundesweit bekannte Rosenheimerin zu berichten hat, und gleichzeitig etwas nervös. Schließlich richtet sich der Vortrag ausschließlich an Frauen. Da ich aber im Auftrag der Hochschulkommunikation vor Ort bin, bin ich optimistisch, nicht von einer Horde empörter Frauen vor die Tür des großen Vorlesungsaales gesetzt zu werden. Ich möchte wissen, was es mit der mentalen Stärke auf sich hat und wie ich damit mein Ziel erreichen kann. Was mein Ziel ist? Ich möchte in wenigen Jahren zu 100% von meiner Selbstständigkeit leben, beruflich unabhängig sein und mich auf die Dinge fokussieren, die mich glücklich machen! Naive Romantisierung des selbstständigen Arbeitens oder realistische Zielsetzung?
So sitze ich als einziger Mann mit weit mehr als 170 Frauen im größten Hörsaal der Hochschule. Unauffällig verhalten! Ich bin mir fast sicher, ich wäre gar nicht aufgefallen, wenn die Frauenbeauftragte der Hochschule mich in Ihrer Anmoderation nicht extra erwähnt hätte. Aber da muss man(n) durch. Ob sich so eine Frau fühlt, die in einem männer-dominierten Beruf arbeitet? Vielleicht. Blöde Sprüche, die in umgekehrter Situation durchaus vorstellbar wären, bleiben jedenfalls aus und so kann ich mich erleichtert auf den anstehenden Vortrag konzentrieren.
„Wer von Ihnen hat Träume?“
Kennen Sie das, wenn jemand den Raum betritt und Souveränität bis in den letzten Winkel des Raumes versprüht? Bislang hatte ich Antje Heimsoeth nur auf Bildern gesehen – aber auf Bildern kann man ja jeden erfolgreich aussehen lassen. Noch ohne ein Wort gesagt zu haben, kommuniziert die Mentaltrainerin Souveränität, Natürlichkeit und Erfolg. Ich frage mich, wie sie das macht. „Wer von Ihnen hat Träume?“, eröffnet Antje Heimsoeth ihren Vortrag. „Wer geht seine Träume aktiv an?“ Dass die zweite Frage nur von einem Bruchteil der anwesenden Frauen bejaht wird, sei laut Heimsoeth ganz typisch. „Wir alle haben Träume, aber die wenigsten von uns versuchen aktiv, diese zu verwirklichen. Denn Träume zu verwirklichen hat seinen Preis“, so Heimsoeth weiter.
Oft seien Bequemlichkeit, Angst vor Veränderungen und die eigene Einstellung die größten Hürden, Träume verwirklichen zu können. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Heute ist die Selbstständigkeit mein großes Ziel. Vor wenigen Jahren noch hätte ich die Idee nicht einmal denken können. Obwohl ich unzufrieden mit meiner beruflichen Situation war, war eine Veränderung in dieser Größenordnung keine Option für mich. Ich hatte schlichtweg Angst! Umso mehr fühle ich mich jetzt durch die Worte von Antje Heimsoeth bestätigt.
„Was ist der Unterschied zwischen den Frauen, die erfolgreich sind und denen, die weiter träumen?“ Das möchte ich auch gerne wissen, wobei ich die Frage für mich übersetze und überlege, ob es hier Sinn macht, zwischen Frauen und Männern zu differenzieren oder eher zwischen Machern und Träumern? Ich glaube Zweiteres ist für mich die richtige Antwort (Anmerkung: Der Vortrag wurde im Rahmen einer Vortragsreihe für Frauen gehalten. Grundsätzlich wird dieser Vortrag von Antje Heimsoeth nicht speziell genderspezifisch angeboten).
„Wenn Menschen effektiv daran arbeiten, ein erfülltes Leben zu führen, dann ist das Erfolg.“
„Was ist überhaupt Erfolg?“ Noch eine gute Frage, denke ich und bin gespannt, ob wir bei der Antwort darauf auf einen Nenner kommen werden. Mit der Erfolgsfrage setze ich mich schon lange auseinander und bin zu dem ersten Ergebnis gekommen, dass eine steile Karriere und das Aufsteigen in höhere Unternehmenshierarchien zwar klassische Erfolgsstereotypen, aber keinesfalls meine persönlichen Erfolgsfaktoren darstellen. „Wenn Menschen daran arbeiten, ein erfülltes Leben zu führen, dann ist das Erfolg. Erfolge sind gelöste Probleme“, so Heimsoeth. Ich freue mich über diese Aussage! Endlich mal jemand, der Erfolg nicht durch materiellen Besitz oder Status definiert, sondern an individuellen Zielen und dem Streben danach ausmacht.
Antje Heimsoeth genießt die volle Aufmerksamkeit ihres Publikums, das sichtlich nachdenklich und neugierig zugleich entweder Notizen macht, konzentriert zuhört oder kopfnickend zustimmt. „Der durchschnittliche Erwachsene schaut 3,5 Stunden Fernsehen. Täglich!“, betont Heimsoeth und erinnert daran, wieviel Zeit wir im Leben „geschehen lassen“ anstelle sie aktiv zu nutzen. Um einen Traum wirklich werden zu lassen, müsse man ihn lediglich durch Ziele definieren. Und zwar so präzise wie möglich. Ich muss an einen Satz denken, der mir begegnet ist, als ich anfing, ernsthaft über eine Selbstständigkeit nachzudenken: „Ziele sind Träume mit einer Deadline.“ Es klingt so einfach, fast zu einfach. Aber vieles, was Antje Heimsoeth beschreibt, habe ich in den letzten Monaten selbst erfahren. Richtig bewusst wird mir einiges davon aber erst jetzt im Vortrag. Ist ein Ziel erst einmal definiert und hat man die ersten Schritte in diese Richtung getan, spürt man ganz intensiv, wie schnell ein Traum zu erlebbarer Realität wird. Es spielt dabei keine Rolle, wie weit das Ziel noch entfernt ist. Man erfährt, dass man sich diesem jeden Tag ein Stückchen nähern kann.
Tipp für mehr Lebensfreude: Niederlagen „akzeptieren, analysieren und abhaken“
Was aber unterscheidet nun die Macher von den Träumern? Was machen erfolgreiche Menschen anders als andere? „Perfektionismus“, sagt Heimsoeth, „steht insbesondere uns Frauen immer wieder im Weg!“ Die meisten Frauen neigten dazu, immer alles 100%ig richtig machen zu wollen. Sie versuchen, die perfekte Managerin zu sein, die perfekte Ehefrau, die perfekte Geliebte, die perfekte Tochter, … – perfekt in vielen Lebenslagen. „Perfektionismus ist zum Scheitern verurteilt“, mahnt Heimsoeth. „Wir müssen uns selbst erlauben, Fehler zu machen. Fehler gehören auf dem Weg zum Erfolg dazu!“ Wie sehr Fehler zum Erfolg dazugehören, veranschaulicht die Mentaltrainerin am Beispiel Fußball, einer Sportart, die vom Scheitern geprägt sei. „Wenn wir uns anschauen, wie viel Prozent der Pässe dort ankommen, wo sie geplant sind, kommen wir selbst im Profisport auf enorme Fehlerquoten. Fehler werden von Topmanagerinnen und -managern genauso gemacht wie von normalen Angestellten. Die Frage ist, wie wir mit Fehlern umgehen“, appelliert Heimsoeth. „Akzeptieren, analysieren und abhaken“, lautet ihr Erfolgsrezept im Umgang mit Fehlern. Das klingt schlüssig. Ich bin aber sicher, dass man diesen Umgang im Alltag erst lernen muss. Wie oft nagt etwas an mir, bin ich unzufrieden, weil ich mich nicht so verhalten habe, wie ich es gerne getan hätte? „Seien Sie nicht zu streng mit sich selbst. Stellen Sie sich vor, eine andere Person hätte ihren Fehler gemacht. Wären Sie mit dieser auch so streng?“ Guter Einwand. An diesen Satz möchte ich mich bei meinem nächsten Fehler gerne erinnern.
Tipp für mehr Lebensfreude: Gedankenhygiene
Mental stark zu sein bedeute auch, optimistisch und lebensfroh zu sein. Dazu gehöre auch, sich selbst zu mögen, sich selbst wichtig zu sein. 75% des Erfolgs seien bestimmt durch Optimismus, unser Umfeld und die Fähigkeit, Stress als Herausforderung und nicht als Bedrohung zu sehen, zitiert Heimsoeth den Psychologen Shawn Achor, Psychologe. „Allein mit unserem Denken können wir unsere Lebensfreude beeinflussen. Wir nehmen mit einer neuen Denkweise eine neue Perspektive ein“, verrät die Mental-Expertin. Ich glaube, dass dieser Part auch in Zukunft zu den größten meiner Herausforderungen zählen wird. Wie oft erwische ich mich dabei, wie all meine Gedanken um eine negative Kleinigkeit kreisen, während um mich herum die wundervollsten Dinge geschehen. Es liegt an unserer Einstellung, ob wir uns von Niederlagen kleinkriegen lassen oder nicht. Hier liefert Heimsoeth spannende Beispiele aus ihrer alltäglichen Arbeit mit Spitzensportlern.
Tipp für mehr Lebensfreude: Dankbarkeitstagebuch
„Jeder kann heute damit anfangen, seine Einstellung zu verändern“, sagt Heimsoeth und hält ein kleines Buch in die Luft. „Das ist mein Dankbarkeitstagebuch“, verrät sie. „Negative Gedanken im Kopf hin und her schieben – das ändert nicht viel an unserer Lebensqualität. Wenn wir Gedanken aufschreiben und uns erinnern, wofür wir dankbar sind und was wir alles Schönes erleben dürfen, ändern wir unsere „Brille“, durch die wir auf´s Leben schauen.“ Ein Dankbarkeitstagebuch habe auch Antje Heimsoeths Leben vor über einem Jahrzehnt eine, wenn nicht sogar DIE entscheidende Wende gegeben.
Und somit werde ich heute Abend in mein Dankbarkeitstagebuch schreiben: „Danke Antje Heimsoeth für diesen erfrischenden Vortrag!“
Über den Autor:
Max Baudrexl (35), studierte PR- und Kommunikationsmanagement in Köln und arbeitete in den vergangenen 10 Jahren für Kommunikationsabteilungen von Unternehmen und Institutionen in Koblenz, Frankfurt, Mannheim, München und Rosenheim. Als Gründer und Inhaber von Chiemgau Kommunikation (www.chiemgau-kommunikation.de) macht er seit 2017 die ersten Schritte als selbstständiger Unternehmer.
Gratuliere
Herzlichen Dank!
Sehr inspirierend geschrieben aus einer anderen Perspektive.
Schönen Sonntag!
Marion Schulz